Subotic-Berater Frieder Gamm im 90min-Gespräch: Der Fußball aus der richtigen Perspektive

Frieder Gamm vertritt mit Neven Subotic einen besonderen Spieler
Frieder Gamm vertritt mit Neven Subotic einen besonderen Spieler /
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Viele Spielerberater genießen in der Fußballwelt einen zwielichtigen Ruf. Frieder Gamm ist so etwas wie die Antithese - und vertritt einen Spieler, der als Antithese in der Glamourwelt Profifußball herhalten kann: Neven Subotic.

Im Gespräch mit 90min erklärt Gamm seinen Weg vom Porsche-Einkäufer zum Verhandlungscoach und wie er zu Neven Subotic kam. Wie seine etwas andere Zusammenarbeit mit dem etwas anderen Fußball-Profi aussieht. Er gibt Einblicke in die Zusammenarbeit mit Sportdirektoren und Klubs und erklärt, warum ein Salary Cap nur eine sozialromantische Idee sein kann.

90min: Herr Gamm, wie wird man vom Porsche-Einkäufer zum Verhandlungscoach und Spielerberater?
Gamm: Ich bin nicht der klassische Spielerberater, der früher selbst gespielt hat und dann zum Berater wurde. Sondern ich kam über eine andere Schiene: Neven Subotic war damals noch beim BVB, er hatte Interesse, in seinem Beraterumfeld Expertise dazu zu gewinnen - und zwar im Bereich Verhandlungsführung. Er hat niemanden gesucht, der gut kicken kann, der alle Vereine kennt - er hat jemanden gesucht, der verhandeln kann. Über Michael Ehlers, der heutige Präsident des 'Club 55 - Europe Community of Experts in Marketing and Sales', kam er zu uns. Wir haben uns dann gleich gut verstanden und so sind wir zueinander gekommen. Es hat nicht lang gedauert, dann waren wir Spielerberater von Neven. So sind wir quasi von der Seite aus reingerutscht.

90min: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Neven Subotic aus?
Gamm: Wir sind von Anfang an bei Neven sehr kreativ und zielorientiert herangegangen. Wir haben beispielsweise zu Beginn erst mal einen halben Tag einen Ziele-Workshop abgehalten, um herauszufinden, was ihm überhaupt wichtig ist, wie er gestrickt ist. Man hat ja das gängige Vorurteil, einen Fußballer interessiert nur das Geld. Das steht bei Neven erst auf Position vier. Und das hat ihn auch nur interessiert, weil er Geld braucht für seine Stiftung. Ich kenne keinen genügsameren Menschen als Neven Subotic.
Zu Beginn seiner Zeit, als er verletzt war, kam er öfters zu uns nach Stuttgart. Da kam er in der zweiten Klasse mit dem Zug angefahren und hat mir grinsend berichtet: 'Heute habe ich mir was gegönnt, ich hab mir für 5 Euro Internet im Zug gekauft.' Er ist auch die sieben Minuten vom Bahnhof zu uns gelaufen. Er ist ein super bodenständiger Mensch, wo Geld und Status gar keine Rolle spielen. Aber er steckt sehr viel Geld in seine Stiftung, um Menschen in Not zu helfen.
Unter dem Strich haben wir eine einfache Zusammenarbeit: Neven spielt Fußball, wir machen den Rest.

Frieder Gamm (l.) und Neven Subotic
Frieder Gamm (l.) und Neven Subotic /

90min: Wie war ihre Beziehung zum Fußball vor der Zusammenarbeit mit Neven Subotic?
Gamm: Dadurch, dass ich Fußball bisher nur aus der Fan-Perspektive beobachtet habe, kannte ich wenig Hintergründe. In der Fußball-Branche kannte ich niemanden und den Fußball nur aus der Stadionperspektive. Aber das ist ähnlich wie in der Industrie: Auch da werden wir zu Coachings gerufen, bei denen wir kein Hintergrundwissen zu den jeweiligen Sachgebieten haben. Wir sind Experten der Verhandlungsführung und stellen dann ein Team mit Fachexperten zusammen.

Im Fußball ging es darum, jemanden ins Team zu holen, der die Vereine und spezifischen Abläufe kennt. Wir sind dann über Jens Zimmermann [ehem. Geschäftsführer der Stuttgarter Kickers, Anm. d. Red.] zu Murat Lokurlu gekommen. Er hat als Spielerberater ein Riesen-Netzwerk in ganz Europa, ist aber jemand, der gerne im Hintergrund arbeitet und da für viele große Transfers mitverantwortlich ist.

90min: Arbeiten Sie aktuell nur mit Neven Subotic als Spielerberater zusammen?
Gamm: Im direkten Verhältnis arbeiten wir nur mit Neven Subotic zusammen. Es ist aber so, dass wir mit anderen Beratern in Kontakt stehen und sie im Hintergrund beraten in der Verhandlungsführung. Wir sind aber auch auf der anderen Seite unterwegs, für Vereine. Teilweise für Sportdirektoren, teilweise für die Scouting-Abteilungen, die wir unterstützen in der Identifizierung von Spielern. Wir haben einen großen Fokus auf 'Mit wem habe ich es zu tun? Wer ist mein (Verhandlungs-)Gegenüber?' Um das herauszufinden, erstellen wir Profile. Wir versuchen, bei einem Spieler herauszufinden, was für eine Persönlichkeit dahinter steckt.
Wir arbeiten mit sogenannten Präferenzmodellen. Das sind Persönlichkeitsmodelle, mit denen man Menschen klassifizieren kann. Das hat den Vorteil, wenn ein Spieler Persönlichkeitsmerkmale zeigt, deutet das darauf hin, was das für ein Typ ist, wie ich mit ihm umgehen sollte.

"Wenn man das versteht, dann kann man Spieler optimal einkaufen."

90min: Können Sie ein Beispiel aus dem Fußball nennen?
Gamm: Wir haben gelernt, du kannst im Fußball von den Werten her top sein, wenn der Kopf nicht mitspielt, dann kann man nicht seine Leistung abrufen. So hat es ein Jürgen Klopp geschafft, aus einem Mario Götze das Beste herauszuholen. Er hat sich für ihn zerrissen. Und der gleiche Mario Götze - Krankheit hin oder her - geht zum FC Bayern und kommt nicht mehr in Tritt. Das hat ganz viel mit dem Menschen dahinter zu tun. Und das ist das, was wir machen: Wir unterstützen Vereine im Hintergrund, in dem wir neue Spieler betrachten und sie profilen, um für beide Seite ein optimales und erfolgreiches Miteinander zu gestalten.

90min: Welchen Einfluss hat das auf die Einkaufspolitik der Klubs?
Gamm: Die Scouting-Abteilungen sind mittlerweile sehr stark ausgebaut und betrachten alle möglichen Faktoren. Jürgen Klopp beispielsweise arbeitet in Liverpool mit dem sogenannten REISS-Profil. Da geht es darum: 'Welche Motivatoren hat ein Spieler?'

Einem Stefan Effenberg sagst du: 'Geh raus und spiel Fußball' - und dann spielt er. Wenn man einem Neven Subotic, der gerne in Strukturen denkt, sagt: 'Geh raus und spiel Fußball', dann antwortet er: 'Wie? Geh raus und spiel Fußball? Es kann doch nicht jeder rausgehen und Fußball spielen. Man muss doch einen Plan haben.' Wenn er also keinen klaren Plan hat, den er versteht, dann kann er sich nicht optimal reindenken.
Dasselbe gilt für Trainer. Der hat elf verschiedene Charaktere und muss im Zweifel elf verschiedene Ansprache-Schlüssel entwickeln, wie er mit den Menschen umgeht. Wenn man das versteht, dann kann man Spieler optimal einkaufen. Und dann ist vielleicht der individuell schwächere Spieler der bessere Transfer, weil er besser in das Gesamtsystem reinpasst. Das beste Beispiel ist Christian Streich mit dem SC Freiburg, der ein Kollektiv zusammenstellt, mit dem er erfolgreich sein kann - ohne die großen Einzelspieler.

90min: Auch unter den Sportdirektoren und Managern wird es ganz verschiedene Charaktere geben…
Gamm: Das stimmt! Und natürlich ist das auch in unserer Verhandlungsvorbereitung ein wichtiges und strategisches Thema. Wir profilen unsere Gegenüber und erarbeiten eine auf die Persönlichkeit zugeschnittene Verhandlungsstrategie aus. Welche Vorlieben hat er? Ist er eher ein beziehungsorientierter Mensch, der gerne Small Talk macht oder eher ein aktionsorientierter Typ, der schnell auf den Punkt kommen möchte. All diese soft facts sind bei Verhandlungen wichtig. Wie natürlich auch die dazu gehörenden Zahlen, Daten und Fakten.

Und für mich ist es auch unglaublich, wie viel Geld teilweise in Händen von Leuten ist, wo ich persönlich denke: 'Nur weil einer früher gut geköpft hat, heißt es nicht unbedingt, dass er was im Kopf hat.' Für mich ist auch erstaunlich, wie schnell Millionenbeträge über den Tisch wandern und es dem Gegenüber nicht die Bohne juckt. Da sieht man auch, wie weit der Fußball vom normalen Leben weg ist.

"Du fährst mit 23 Spielern zu einem Auswärtsspiel, 22 spielen PlayStation und einer liest ein Buch über Tiefenbohrungen."

Jürgen Klopp über Neven Subotic

90min: Würden Sie Spielern generell raten, ein Berater-Team zu haben, in dem es Spezialisten im Fußball-Netzwerk und Spezialisten in Verhandlungen gibt?
Gamm: Auf jeden Fall! Im Fußball ist es doch dasselbe: Cristiano Ronaldo ist sicherlich einer der besten Fußballer der Welt. Und trotzdem hat er eine Schar an Spezialisten um sich herum: Trainer, Fitnesscoach, Ernährungsberater und sogar einen Schlafberater. Er hat verstanden, dass er gewisse Grenzen nur überwindet, in dem er externe Unterstützung zurate zieht.
Dasselbe ist es in der Fußballberatung. Ein Team an Spezialisten ist stärker als ein Einzelplayer. Wenn Neven eine Frage hat, dann spricht er mich direkt an und ich gebe es ggf. weiter und steure das Team. Er hat einen Ansprechpartner. Wenn wir uns treffen mit Neven, um darüber zu sprechen, was wir machen, wie es weitergeht, welche Strategie wir brauchen - dann treffen wir uns immer als komplettes Team.

90min: Neven Subotic ist kein 08/15-Spieler, braucht er deswegen auch eine andere Beratung?
Gamm: Er ist ein sehr besonderer Mensch - nicht nur Spieler. Es gibt zwei Anekdoten, die das sehr gut beschreiben:
Kloppo hat mal gesagt: 'Du fährst mit 23 Spielern zu einem Auswärtsspiel, 22 spielen PlayStation und einer liest ein Buch über Tiefenbohrungen.' Als er in Köln war, sagte Jörg Schmadtke [damals Sportdirektor beim FC, Anm. d. Red.] mal zu mir: 'Der Neven ist schon ein sehr spezieller Spieler. Das ist der Einzige, der zu einem Termin mit mir kommt, einen Terminkalender dabei hat und Notizen macht.'
Daran sieht man aber, dass wir mit Neven das Glück haben, einen sehr intelligenten Spieler zu beraten, mit dem wir strategisch-taktisch sehr gut arbeiten können. Wenn wir uns mit anderen Klubs unterhalten, dann sitzt auf unserer Seite ein Viererteam am Tisch, in dem Neven seine Rolle einnimmt - und er macht das super.

90min: Wie sieht die Rollenverteilung konkret aus?
Gamm: Ein Beispiel, bei dem es fast schief gelaufen wäre: Wir haben uns mit einem Sportdirektor und Trainer unterhalten und Neven war auch dabei. Der Trainer, ehemals ein bekannter Spieler, hat von zwei Stunden eineinhalb Stunden geredet wie ein Buch. Neven ist ein sehr höflicher Mensch und hat einfach zugehört. Nach 90 Minuten musste er auf die Toilette. Als er draußen war, sagte ich zu dem Trainer: 'Ganz ehrlich, wenn ihr überhaupt noch eine Chance haben wollt, dann halte einfach mal die Klappe und stellt ihm Fragen. Fragen wie: Was stellst du dir eigentlich vor?'
Als Neven zurückkam, ging es dann eine halbe Stunde um Fragen und Details. 'Welche Spielanlage wollt ihr spielen, wie sind die Trainingsplätze?' Details, die Neven braucht, um für sich eine Entscheidung zu treffen. Hätte ich nicht eingegriffen, wäre Neven nach zwei Stunden aufgestanden und hätte keine Entscheidungsgrundlage gehabt. In solchen Fällen hilft mir mein Job als Verhandlungsführer extrem. Solche Gespräche kann ich mit speziellen Fragetechniken steuern.

Ich habe auch schon Gespräche erlebt mit Sportdirektoren, wo ich zum Termin komme und das Erste, was er sagt, ist zu seiner Sekretärin: 'Bring mir doch bitte mal die Unterlagen zu dem Spieler.' Dann weiß ich, wie der sich auf das Gespräch vorbereitet hat - nämlich in der Sekunde.

"Mario Götze, der in den letzten drei Jahren eine schwierige Zeit hat, ist ein Spieler, den ich liebend gerne übernommen hätte."

90min: Ein Wahnsinn, wenn man bedenkt, welche Tragweite Personalentscheidungen haben und welche Summen im Spiel sind…
Gamm: Wir sitzen dann da und grinsen innerlich, weil wir uns tagelang auf dieses Gespräch vorbereitet haben und im Detail eine Strategie und Taktik abgestimmt haben. Da glaube ich, dass es wenig Berater gibt, die auf diesem strategisch-taktischen Niveau unterwegs sind.

90min: Welchen Spieler aus der Bundesliga würden Sie gerne beraten?
Gamm: Als wir Neven übernommen haben, wurde es schwierig, schwierig, schwierig. Wir mögen schwierige Rahmenbedingungen. Da wäre ein Mario Götze, der in den letzten drei Jahren eine schwierige Zeit hat, ein Spieler, den ich liebend gerne übernommen hätte. Es gibt ein paar Spieler in der Bundesliga, wo wir denken, dass wir für sie sehr viel tun und vor allem herausfinden könnten, was sie wirklich wollen.

90min: Gerade bei Mario Götze, wo die Probleme offensichtlich nicht im fußballerischen Können liegen. Gehen viele Spieler den berühmten "nächsten Schritt" falsch an?
Gamm: Mario Götze, aus der Ferne analysiert, ist wahrscheinlich ein beziehungsorientierter Mensch. Der braucht es warm. Wir haben für Neven schon viele Angebote abgelehnt, weil wir zu dem Schluss gekommen sind, dass es nicht passen würde.
Wir haben bei Neven angefangen, auch das Umfeld zu analysieren. Beispielsweise das Thema Ernährung. Wir haben einen Ernährungscoach eingestellt, der Neven auf Schritt und Tritt gefolgt ist, um zu schauen, was und wie er isst. Er hat ihm dann einen komplett neuen Ernährungsplan erstellt und meinte, bei manchen Bundesligisten hat man das Gefühl, sie kippen bezüglich der Ernährung Altöl in einen Ferrari. Neven ernährt sich mittlerweile überwiegend vegan und kocht viel selbst.

90min: Ist Neven Subotic für Sie ein Vorbild für andere Fußballer?
Gamm: Neven ist mit dem, was er macht und wie er eingestellt ist, nicht nur ein Vorbild für Fußballer, sondern ein gesellschaftliches Vorbild. Er ist jemand, der sich selbst nicht so wichtig nimmt, jemand der sich selbst reduziert und jemand, der andere, die es viel dringender brauchen, damit unterstützt. Er ist jemand, der in die Öffentlichkeit geht, um seine Bekanntheit einzusetzen. Aber nicht für das eigene Licht, sondern um auf andere hinzuleuchten.
Vor zwei Jahren war Nuri Sahin in Äthiopien mit dabei. Der war ganz begeistert. Und klar, wenn noch mehr mitmachen würden, wäre das toll. Ich weiß aber auch, dass es viele Fußballer gibt, die sich im Hintergrund engagieren.

90min: Subotic kann auch als Role-Model für mündige Spieler in der Öffentlichkeit herhalten. Wo sind die Typen geblieben?
Gamm: Es wäre auch gut, wenn noch mehr in die Öffentlichkeit gehen würden und eine klare Position einnehmen. Neven hat sich vor einiger Zeit in einer Talkshow mit Markus Söder angelegt. Aber mit Fakten, Fakten, Fakten, pragmatisch-logisch. Also sachorientiert und nicht polemisch. Dadurch kommt er authentisch rüber. Auch, weil er selbst reduziert lebt, in Berlin eine 60-70 Quadratmeter Wohnung hat, kein Auto und mit den Öffentlichen fährt. Das sind alles Dinge, die zeigen, wie geerdet er lebt und auch so rüber kommt.
Er ist zweifelsohne ein Typ. Er sagt seine Meinung und steht dazu - und trägt im Zweifel die Konsequenzen. Ich hatte mehrfach das Vergnügen, als Neven noch verletzt war, dass wir in Dortmund am Samstag ins Stadion gelaufen sind. Neven hat gleich zu Beginn zu mir gesagt, wir müssen immer in Bewegung bleiben. Wenn wir anhalten, kommen wir nicht mehr weg. Neven ist ein absoluter Volksheld in Dortmund. Aber auch in Hamburg, München, Köln begegnen ihm die Leute mit großem Respekt. Weil er eine klare Haltung vertritt, nicht nur von der Meinung, sondern auch von den Taten.

90min: Welche Eigenschaft zeichnet Neven Subotic als Spieler am meisten aus?
Gamm: Neven ist ein 100 Prozent konsequenter Mensch. Wenn er auf den Platz geht, gibt es nur Vollgas. Es gibt nicht 70, 80, 90 Prozent. Als er im Winter nach St. Etienne gewechselt ist, stand das Team auf Rang 15, ein Punkt vor der Abstiegszone. Als Neven kam, haben sie die letzten 13 Spiele nicht mehr verloren und kamen hoch bis auf Platz 5. Ich habe ihn gefragt, ob er so gut ist, dass er den Karren allein aus dem Dreck gezogen hat. Da sagte er mir: 'Das ist zu viel der Ehre, aber was schon ist: Wenn ich ins Training gehe, dann gebe ich immer 100 Prozent.' Wenn seine südfranzösischen Mitspieler im Training nur 90 oder 95 Prozent geben haben, dann hatten sie Nevens Stollen permanent auf dem Knöchel.
In Dortmund im Treppenhaus der Geschäftsstelle stehen ein paar Sprüche von Spielern. Da steht Nevens Spruch: 'Warum muss der auch da hinlaufen, wo ich hingrätsche?' Wir wissen, er ist mehr ein harter als ein "schöner Spieler". Wenn also seine Kollegen seinem harten Fuß entkommen wollten, dann mussten sie im Training eine Schippe drauflegen. Und dieses "Drauflegen" hat sich auch ins Spiel übertragen. Bis hoch auf Platz 5.

90min: Gab es Überlegungen, in Frankreich zu bleiben oder wollte er unbedingt wieder in die Bundesliga?
Gamm: Neven ist ein Fan von den starken Ligen. Da reden wir immer über die Bundesliga, über die Premier League, über Spanien und Italien. Das sind die vier Ligen, wo sein Herz schlägt, wo er jederzeit gern spielen möchte. Es war natürlich mal spannend, ein Jahr in Frankreich zu spielen, und wir hören uns auch an, wenn Vertreter außerhalb von Westeuropa kommen. Seit Jahren umwerben uns die Amerikaner. Aber er ist einfach ein Spieler, den der Wettbewerb auf höchstem Niveau reizt.

Das "Team Subotic" in St. Etienne
Das "Team Subotic" in St. Etienne /

90min: Wie kam der Wechsel zu Union Berlin zustande?
Gamm: Spannend war, dass Neven wirklich mal gesagt hat, er hätte mal Bock auf Abstiegskampf und beim Aufbau von etwas Neuem. Bei Union Berlin entstand etwas, allein schon mit dem ersten Aufstieg in die Bundesliga. Ihm gefällt vor allem die konsequente Haltung der Fans. Das mit Berlin und Union hat gepasst.

90min: Subotic' Vertrag läuft 2021 aus. Wie plant er seine Zukunft?
Gamm: Er denkt von Spiel zu Spiel und erst mal gilt es, den Klassenerhalt mit Union zu sichern. Mit der Corona-Krise hat sich alles durcheinandergewirbelt, der Transfermarkt ist zum Erliegen gekommen. Die Vereine sind aktuell mit anderen Dingen beschäftigt.

90min: Entspricht das auch seiner Haltung, aktuell die Planungen noch nicht angehen zu wollen?
Gamm: Neven ist mega pragmatisch. Er hat einen Vertrag für 20/21. Er hat seine Berater, die sich darum kümmern. Wir machen unseren Job am Tag nach einer Unterschrift ganz normal weiter. Was er am Ende entscheiden wird, ist immer eine Frage nach Gesprächen, von Ansichten und viele weitere Komponenten.

"Aus Fan-Sicht kann man sagen, dass der Fußball derzeit zeigt, dass er zugunsten des Kommerz auf die Ultras komplett verzichten kann."

90min: Wie bewerten Sie das Vorgehen der DFL aktuell und den Re-Start der Bundesliga?
Gamm: Ich kann die DFL absolut verstehen. Sie ist der Interessenvertreter der deutschen Bundesliga und den Vereinen. Wir wissen ja, dass mindestens zwei Vereine kurz vor der Insolvenz standen. Deswegen verstehe ich, dass die DFL dringend eine Lösung brauchte.
Man muss sagen, Respekt aus Verhandlungssicht. Welches Netzwerk Christian Seifert hat, etwas völlig Schräges hinzubekommen. Dass sie nämlich auf der Ersatzbank mit Schutzmasken sitzen und auf dem Spielfeld sich direkt bekämpfen. Aus Verhandlungssicht hat Christian Seifert das Optimum herausgeholt. Großen Respekt und großes Verständnis für ihn in seiner Position.
Aus gesellschaftlicher Sicht kann man diskutieren, ob der Fußball gerade das Wichtigste ist für die Menschen. Aus Fan-Sicht kann man sagen, dass der Fußball derzeit zeigt, dass er zugunsten des Kommerz auf die Ultras komplett verzichten kann. Und über das große Risiko der Spieler, sich zu verletzen bei den vielen Spielen ohne echte Vorbereitung, spricht überhaupt keiner.

90min: Welche Auswirkungen der Corona-Krise erwarten Sie für den Fußball?
Gamm: Sie wird dieses Jahr den Transfermarkt komplett durcheinanderwirbeln. Das Spannende ist, man kann nicht mal sagen, ob gut oder schlecht. Ich denke, die großen Deals werden laufen, unabhängig von Corona. Es könnte aber auch sein, dass die Deals im Schatten der Großen etwas in den Vordergrund rücken. Für manchen, der weiter hinten stand, könnte es interessant werden, weil er weiter vor gespült wird. Ich bin froh, dass Neven noch ein Jahr Vertrag hat und wir uns die Sache entspannt anschauen können. Das Thema Gehälter könnte aber eins werden - und hier eher noch in der 2. und 3. Liga.

"Meiner Ansicht nach ist ein Salary Cap eine sozialromantische Idee."

90min: Was halten Sie von einem Salary Cap? Glauben Sie die Schere zwischen Arm und Reich wird größer?
Gamm: Meiner Ansicht nach ist ein Salary Cap eine sozialromantische Idee, solange wir einen globalisierten Fußball haben, wo Scheichs aus Dubai mitspielen. Wenn es Deutschland allein durchziehen würde, haben wir eben keine Top-Stars mehr, weil die irgendwo anders hingehen würden. Innerhalb von Europa sehe ich nicht die Solidarität, die schon in der Bundesliga schwierig ist. Das konnte man sehen in der Abstimmung darüber, wer absteigt und wer nicht. Die eigene Jacke zählt immer zuerst. Das auf Europa auszuweiten, unter Umständen noch mit der Türkei und Russland - das können Sie vergessen. Ich halte das für absolut illusorisch. Nur wenn von oben eine UEFA oder FIFA das durchdrücken will. Aber auch dann wird die Kreativität groß sein, Seitenlösungen zu finden.

Frieder Gamm glaubt nicht an die Durchsetzung von Obergrenzen
Frieder Gamm glaubt nicht an die Durchsetzung von Obergrenzen /

90min: Welche Auswirkungen hat der eingeschlagene Weg durch die Krise auf die Beziehung zwischen dem Profi-Fußball und den Fans?
Gamm: Es war für den Fußball noch nie so ein Balanceakt wie jetzt, zwischen Kommerz und Beziehung zu den Fans. Ohne Zuschauer klappt es auch für die Sponsoren nicht mehr. Dennoch hat der Fußball gerade eine Chance, wieder etwas geerdeter zu werden.

90min: Was würden Sie sich denn vom Fußball wünschen - und was ist überhaupt realistisch?
Gamm: Man hätte die Saison auch abbrechen können oder verlängern bis Ende des Jahres, um so auf das Kalenderjahr umsteigen zu können. Im Hinblick auf die WM auch nicht ganz falsch. Es hätte mit Sicherheit Lösungen gegeben, die ihren Charme gehabt hätten. Das hier ist eine Lösung, die mit der Brechstange durchgezogen wird. Verständlicherweise allerdings. Deshalb finde ich auch, jeder kluge Spruch von außen hat recht, hat aber auch irgendwie nicht recht, wenn man alle Faktoren berücksichtigt. Eine Lösung, wo alle 'super' schreien, kann es nicht geben.
Ich glaube nicht, dass sich viel verändert. Ich glaube, in Jahr zwei sind wir wieder zurück ins Muster gefallen. Außer Corona schlägt noch einmal ganz anders zu.

90min: Hat die Bundesliga es verpasst, wieder etwas mehr zurück zu den Wurzeln und den Fans zu kommen?
Gamm: Es geht nur um Fernseheinnahmen. Ohne die geht es nicht. Das Spannende ist, wir reden mit vielen Klubs, da gibt es einige die sagen: 'Ich hätte nicht angefangen.' Auch die, die in den Vereinen abhängig sind von den TV-Geldern, hätten nicht unbedingt weitergespielt, aber sie tragen es natürlich mit.

90min: Christian Seifert hatte sich zuletzt aus dem Fenster gelehnt und Beschränkungen für Berater-Honorare gefordert. Werden solche Beschränkungen kommen?
Gamm: Ich glaube nicht, dass sich Christian Seifert mit dieser Idee durchsetzen wird. Spätestens wenn man aus Deutschland rausgeht. Modeste wurde von seinem Beraterteam aus Deutschland heraus geprügelt, ist in China unglücklich geworden und nicht mehr der, der er mal war. Wäre er in Köln geblieben, wäre ihm eine ganze Stadt zu Füßen gelegen.
Das passiert natürlich, wenn du als Berater in Deutschland kein Geld mehr verdienen kannst. Dann wird es mit Sicherheit Berater geben, die so aufgestellt sind, dass sie gegen das Interesse der Klienten den Spieler raus aus Deutschland bringen möchten.

90min: Würden Sie sich wünschen, dass Ihr Job anders wahrgenommen wird?
Gamm: Wir sagen eigentlich nie, dass wir der Berater sind von Neven Subotic, sondern immer, dass wir das Management von Neven Subotic sind. Das ist umfassender und beinhaltet viel mehr.
Den Spielerberatern, die mit der Goldkette herumlaufen, denen ist das völlig egal. Im Gegenteil: Für die ist das sogar ein wenig Imageaufbau. Und die Spielerberater, die einen seriösen Job machen, interessiert das nicht.