Schalke blamiert sich im Revierderby: Die Erkenntnisse zum Spiel

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Ein Derby-Sieg zum Restart der Bundesliga-Saison, das hätte Schalke angesichts der bisherigen Rückrunde sicher gut getan. Schlussendlich kam alles anders, der S04 blamierte sich gar. Aus dem Spiel müssen so manche Erkenntnisse gezogen und intern aufgearbeitet werden, ansonsten droht die Spielzeit noch aus dem Ruder zu laufen.

Die Häme war groß, trotz der Kulisse im leeren Stadion: Schalke 04 hat sich - ausgerechnet im Revierderby - zerlegen lassen. Die Mannschaft von David Wagner zeigte von der ersten Minute an keine klaren Ideen; Strukturen oder Planungen konnte der Zuschauer ebenfalls nicht erkennen. Das Ergebnis auch in der Höhe verdient, da Borussia Dortmund die Knappen schlichtweg dominierte und im eigenen, wenn auch leeren Stadion, vorführte. Die Erkenntnisse zum Spiel:

1. Der weiterhin große Knackpunkt: Die S04-Offensive

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Eine Schwäche, die Schalke seit einigen Jahren von Saison zu Saison schleppt: Eine viel zu ungefährliche Offensive, die zudem auf augenscheinlich keinerlei Struktur und Idee zurückgreifen kann.

Gegen den BVB war es erneut eine Art Offenbarung, wie harmlos Königsblau auf dem Weg nach vorne agierte. Kein Tempo, keine Laufwege, keine eingespielten Varianten, auf die das Team zählen konnte. Im Mittelfeld hat einer den Ball, die meisten Offensiv-Akteure stehen mitsamt der gegnerischen Verteidigung auf einer Linie.

Bereits in der Hinrunde hat Schalke, was eigene Tore betrifft, stark überperformt - das kann der xG-Wert ("expected Goals") verraten: S04 holte vergleichsweise so viele Tore aus einem möglichst kleinen Wert (= sehr wenig klare Torchancen), wie kein anderes Team. Es wird klar: Auch unter David Wagner ist Schalke ungefährlich. Die Tordifferenz von -7 beweist es zudem eindrucksvoll. Nur vier Teams haben weniger Treffer erzielt, drei davon stehen auf den letzten drei Tabellenrängen.


2. Was ist mit der Motivation passiert?

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Kannst du in einem Derby spielerisch nicht auftrumpfen, musst du es anhand der Motivation tun - das weiß jeder. Königsblau trat im Spiel jedoch so auf, wie Trainer Wagner die Kulisse vorher beschrieben hatte: Wie in einem Testspiel.

Natürlich ist es zweifelsohne schwieriger, ohne die zahlreichen Fans in Stimmung zu kommen, keine Frage. An den Zielen der Mannschaft, sowohl für das einzelne Spiel, als auch für den restlichen Saison-Verlauf, hat das jedoch nichts geändert. Aus großen Tönen im Winter, das Team sei bereit für die Champions League, sind solche Auftritte wie der am Samstag geworden. Von Mut und Begeisterung lebte das Team über weite Teile der Hinrunde, doch auch dieser Erfolgs-Aspekt lässt sich vermissen.

Zu keinem Zeitpunkt wirkte der S04 auch nur annähernd so bissig, so motiviert und so gierig, wie der große Rivale aus Dortmund. Neben dem spielerischen Auftreten definitiv ein Kritikpunkt, der auch an den Trainer geht. Dieser erregte bei so manchem Fan das Gemüt, da er selbst - erneut - über große Teile des Spiels lediglich mit verschränkten Armen am Spielfeldrand stand. Ein Funke soll überspringen, der offenbar in der Kabine geblieben ist.


3. Die Qualität des Kaders wird sichtbar - Probleme in der zweiten Reihe und im Tor?

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In einem solchen Aufeinandertreffen ohne Fans und lauten Rückhalt kommt es umso mehr auf die Qualität und Stärke der Spieler und somit des ganzen Kaders an, gemischt mit der Vorbereitung, aufbereitet durch den jeweiligen Trainer. Auch hier hat Schalke die Abstriche deutlich machen müssen.

Spieler wie Achraf Hakimi, Julian Brandt uvm. hat der S04 in dieser Quantität nicht auf dem Platz. Eigene Hochkaräter wie Amine Harit und Suat Serdar zeigen im offensiven und mutigen Spiel ihr Können, aber nicht im defensiven Abwarten. Auch die zweite Reihe ist klar schwächer als die der Dortmunder, und auch schwächer als es für ein Champions-League-Team der Fall wäre.

Besonders mit mehr Wechseln im Spiel wird dies über die nächsten Spieltage deutlich werden. Zudem blieb Markus Schubert erneut nicht fehlerfrei. An sich keine Überraschung, schließlich ist er ein sehr junger Keeper der nicht auf wochen- oder monatelange Spielpraxis zurückgreifen kann. Hier gilt es, Ruhe zu bewahren - zumindest bis zum Saisonende.


4. David Wagner ist angezählt: Gleiche Probleme, gleiche Antworten

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Dass ein solch desolater Auftritt im Derby zusätzlich Feuer für Emotionen ist, ist selbstverständlich. Trotzdem gilt es festzuhalten, dass David Wagner als S04-Trainer längst bei einigen Fans angezählt ist. So mancher Anhänger weiß die insgesamt erfolgreiche Hinrunde in Relation zu der spielerischen Entwicklung zu setzen, vor allem angesichts der weiterhin fehlenden Offensiv-Power.

Schon zum Ende der Hinrunde begann ein spielerischer Abwärtstrend, deutlich spürbar in Partien wie gegen den VfL Wolfsburg oder den SC Freiburg. Das Aufatmen durch den Sieg gegen Borussia Mönchengladbach wich der Ernüchterung: Remis gegen Abstiegskandidaten wurden plötzlich als genügend eingestuft, die spielerische Entwicklung litt immer mehr und drehte sich immer weiter in Richtung Defensive - das Gegenteil vom dem, was geplant war: Ein gegner-unabhängiges, mutiges und offensives Auftreten.

Zu den enttäuschenden Auftritten gab es seitens Wagner die stets gleichen Antworten, manchmal noch anders verpackt. Zum einen waren es die zahlreichen Verletzten, obwohl diese Spieler schon bei so manch schlechtem Auftritt dabei waren. Das "Schütteln und Weiterarbeiten" wird seit Wochen angepriesen, doch Veränderungen im Spiel gibt es nicht. Wagner muss zwingend beweisen, dass er den Turnaround schaffen und wieder zur geplanten Philosophie zurückkehren kann.


5. Euro-League wird zum entfernten Traum-Ziel

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Zu Beginn der Saison wollte die sportliche Führung kein Ziel in Aussicht stellen, immerhin kam die Mannschaft aus einer Saison, aus der sie sich nur knapp vor dem Abstieg retten konnte. Für diese Reaktion und dieses Handeln gab es viel Verständnis. Nicht zuletzt auch, weil Sportvorstand Jochen Schneider und Trainer David Wagner Zeit bekommen sollten für ihr neues Projekt.

Im Verlauf der Saison ergab sich jedoch die Chance auf den internationalen Wettbewerb, zwischenzeitlich sah sogar die Champions League nach einem einigermaßen realistischem Ziel aus - das wurde von so manchem Spieler, etwa Weston McKennie, gar befeuert. Auch die Europa League wäre ein Erfolg, sportlich wie finanziell.

Mittlerweile droht Schalke sogar die obere Tabellenhälfte zu verlieren. Der 1. FC Köln, inmitten der Hinrunde als klarer Abstiegskandidat deklariert, befindet sich nur noch vier kleine Zähler hinter Königsblau auf dem zehnten Tabellenplatz. Setzt sich der S04-Trend fort, wacht der Klub am Saisonende auf einem zweistelligen Platz auf und die Hinrunde muss als brotlose Kunst abgestempelt werden: Schließlich hat man weder spielerisch wie taktisch, noch anhand der Platzierung einen Gewinn erzielen können.


Autor Yannik Möller ist auch bei Twitter zu erreichen.