Re-Start: Der erste Stresstest ist überstanden, doch es bleibt eine Gratwanderung
Von Florian Bajus

Vor leeren Rängen, aber mit den Hauptakteuren auf dem Rasen hat die Bundesliga am Samstag ihr Comeback gefeiert. Der erste Stresstest wurde gut überstanden, gewonnen ist der Wettkampf gegen das Coronavirus aber noch lange nicht.
Dortmund überrollt Schalke im Revier-Derby, Leipzig lässt gegen Freiburg erneut Federn, Bruno Labbadia feiert ein erfolgreiches Debüt als Trainer von Hertha BSC, Wolfsburg setzt sich spät in Augsburg durch, die Kellerkinder Düsseldorf und Paderborn trennen sich Unentschieden und Gladbach macht binnen sieben Minuten den Auswärtssieg in Frankfurt perfekt. Was nach einem ganz normalen Bundesliga-Samstag klingt, war weit von der üblichen Show entfernt, die sonst aufgetischt wird.
Leere Ränge, bis auf die Spieler und Schiedsrichter sind alle im Stadion anwesenden Personen mit Mund-Nasen-Schutz ausgestattet, überall sind Abstände einzuhalten, die Mikrofone von TV-Sender Sky werden mit einem Überzug aus Plastik geschützt und Fragen für die Pressekonferenzen werden vorab eingesendet. Die Rahmenbedingungen sind ungewohnt, die Atmosphäre genauso. Auch das Spiel hat sich verändert - logisch, schließlich waren alle Mannschaften zwei Monate lang außer Gefecht und müssen nun ohne ihre Fans im Haifischbecken Bundesliga überleben.
Aufregung um Jubel-Empfehlung
Zwar war die Freude bei Toren groß, der ein oder andere Zweikampf etwas härter und auch der Video-Assistant-Referee kam zum Einsatz - aber es gab keinen Aufschrei oder Jubel der Fans, keine Rudelbildungen, selbst bei strittigen Szenen blieben die Schiedsrichter von hartnäckigen Diskussionen verschont. Der einzige Aufreger des Nachmittags war der Torjubel der Berliner Hertha.
Nach Empfehlung der DFL sind auch beim Feiern eines Tores Abstände einzuhalten. Die Akteure der Hertha kamen sich jedoch so nahe, dass in den sozialen Medien prompt ein Bild die Runde machte, auf dem zu sehen ist, wie Dedryck Boyata seinem Mitspieler Marko Grujic auf die Wange küsst.
Achso, na dann ist ja alles gut. #hertha #boyata pic.twitter.com/UhrgQ2thp2
— Marc 15L (@marc15l) May 17, 2020
Später beteuerte Boyata auf Instagram, er habe Grujic lediglich eine Eckballvariante erklärt - verstummen wird diese Diskussion allerdings nicht, vielmehr wird sie dadurch nur befeuert und die Empfehlung der Liga in Frage gestellt: Warum sollten beim Jubel Abstände eingehalten werden, wenn die Spieler bei Eck- und Freistößen eng am Mann stehen und das gesamte Spiel über Zweikämpfe führen?
Der erste Schritt ist (fast) getan
Mehr war allerdings nicht los. Augsburg-Trainer Heiko Herrlich nahm nach seinem Einkauf in der VIP-Loge Platz, die gefürchteten Fan-Ansammlungen blieben - wie zu erwarten war - aus. Und doch ist es falsch, wenn Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern, im 'Doppelpass' davon spricht, dass Kritiker "eines Besseren belehrt" worden seien.
#Hainer im #Dopa: „Die ganzen Chef-Kritiker, die in den letzten Wochen durch die Talkshows gezogen sind und gesagt haben: ‚Das wird nie klappen‘ - die sind auch eines besseren belehrt worden.“ @SPORT1 @FCBayern pic.twitter.com/T1i7zVf79N
— Stefan Kumberger (@__Kumbi__) May 17, 2020
Die Bundesliga sieht sich einem Stresstest über mehrere Wochen ausgesetzt. Es ist, wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in den vergangenen Wochen mehrfach betont hat, eine Gratwanderung. Auf diesem ersten Erfolg darf sich die Liga nicht ausruhen, im Gegenteil: Sie muss genau so weitermachen, bis der 34. Spieltag absolviert wurde, und gleichzeitig darauf hoffen, dass die befürchtete zweite Infektionswelle, die den Spielbetrieb erneut lahmlegen würde, ausbleibt.
Die 36 Profi-Klubs sind dabei, den ersten von neun Schritten zu gehen. Erst nach dem Montagsspiel zwischen Bremen und Leverkusen wird man ein erstes Fazit ziehen können. Dennoch darf sich die DFL schon jetzt über Lob aus der Politik freuen, während Sky eine neue Rekordquote verzeichnen konnte. "Es war viel besser als gedacht", sagte Söder am Sonntagmorgen im 'Doppelpass' (zitiert via Sport1). "Unterm Strich ist das Experiment gelungen."
Keine weiteren Fehltritte erlaubt
Allerdings warnte Söder vor Leichtsinn. Man solle "aus den Erfahrungen lernen und nachsteuern", allen voran in puncto Torjubel sieht der CSU-Politiker Verbesserungsbedarf. "Ich fand es nicht gut", sagte Söder über die Szene von Boyata und Grujic.
"Es gab härteste Diskussionen. Etliche Minister haben gesagt: Lieber nicht", erinnerte Söder an die Verantwortung, die auf der Liga, den Klubs und den Spielern lastet. Allen Beteiligten ist daher anzuraten, sich weiterhin an das Hygienekonzept der DFL zu halten. Dann könnte es sein, dass die Saison 2019/20 tatsächlich beendet wird. Doch es bleibt eine Gratwanderung, auf der keine Fehltritte erlaubt sind.