Premier League POTM: Ilkay Gündogan schreibt Geschichte
Von Guido Müller
Wenn ich in meinem Freundeskreis über die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der im Sommer (hoffentlich!) stattfindenden Europameisterschaft gefragt werde, antworte ich stets, dass es nicht so viele Teams in Europa gibt, die wirklich besser sind als wir. Im Kopf habe ich dabei immer die selbe Handvoll Kicker: Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Kai Havertz, Timo Werner, Leon Goretzka - und Ilkay Gündogan.
Wer solche Ausnahmespieler in seinen Reihen hat, braucht nun wirklich keinen Gegner zu fürchten. Respektieren - ja. Immer und jeden. Mehr aber auch nicht. Vor allem der 30-jährige Gündogan weckt in mir Hoffnungen, dass seine schon seit langem auf hohem Niveau liegende Formkurve ihn bis zum paneuropäischen Turnier begleitet - und er endlich auch im DFB-Dress den Lorbeer seiner Arbeit einfahren kann.
Meister ist er in Deutschland (BVB) und England (Manchester City) ja schon geworden. Auch die Pokale beider Verbände hat er bereits in seiner Titelsammlung. Die 2013 mit dem BVB (im German Final von Wembley) verlorene Champions-League-Trophäe gewinnt er ja vielleicht in diesem Jahr mit den Skyblues.
Verletzungen pflastern Gündogans Weg im DFB-Dress
Doch auf Nationalmannschaftsebene sieht es leider nicht ganz so gut aus. Bei der EM 2012 spielte der in Deutschland geborene Sohn türkischer Eltern keine Rolle, die WM 2014 wiederum verpasste er aufgrund einer schweren Verletzung, die er sich im August 2013 bei einem Test-Kick gegen Paraguay zugezogen hatte.
Auch bei der EM 2016 fehlte Gündogan verletzungsbedingt - und die WM 2018, bei der eigentlich sein Stern endgültig aufgehen sollte, stand leider von Anfang an mehr unter dem ungünstigen Stern der Erdogan-Affäre und eines in zwei Lager gespaltenen Kaders.
Im Grunde genommen sind die vor der Tür stehende EM und das WM-Turnier von 2022 die letzten Chancen für Gündogan, seiner schon sehr ansehnlichen Vita nun auch die höchsten Weihen auf Länderspielebene hinzuzufügen.
Und meine Hoffnung ist groß, dass es diesmal endlich klappt. Denn Gündogan ist schon seit geraumer Zeit in der sogenannten "Form seines Lebens". Zwar schrieb das Fachblatt kicker dem damals noch für den BVB kickenden Mittelfeldspieler bereits im Jahr 2013 das Prädikat "Weltklasse" zu (völlig zu recht, nebenbei bemerkt), doch war sein damaliger Impact auf die Mannschaft noch nicht mit dem zu vergleichen, den er heute in Manchester ausübt.
Gündogan der erste Deutsche, der zweimal zum Spieler des Monats in England gekürt wurde
Gerade erst ist er in England zum zweiten Mal in Folge zum "Spieler des Monats" gekürt worden. Er ist der erste Deutsche überhaupt, dem es gelang, diese seit der Saison 1994/95 vergebene Auszeichnung zum zweiten Mal zu erhalten.
"Ich bin sehr stolz darauf, diesen Preis noch einmal gewonnen zu haben, aber am meisten macht mich stolz, Teil dieser wunderbaren Mannschaft zu sein", zeigte sich Gündogan gewohnt bescheiden und zurückhaltend ob dieser persönlichen Auszeichnung.
Seine deutschen Vorgänger (Jürgen Klinsmann, im August 1994, und Leroy Sané, im Oktober 2017) wurden jeweils nur einmal als "Premier League Player of the Month" gewürdigt. Rekordhalter dieser Auszeichnung sind Steven Gerrard, Harry Kane und Sergio Agüero mit jeweils sechs Auszeichnungen.
Mit ihrem Votum für Gündogan reagieren die englischen Sportfans und Experten, die den Spieler des Monats anteilig wählen, auch auf die frappierende Entwicklung als Torjäger, die der gebürtige Gelsenkirchener in dieser Saison genommen hat.
So treffsicher wie noch nie in seiner bisherigen Karriere
Kam Gündogan in den letzten neun Spielzeiten (fünf davon noch beim BVB) nie über die Marke von sechs geschossenen Treffern hinaus, liegt er in der gerade zu drei Vierteln gespielten aktuellen Saison schon bei deren 14 (12 in der Premier League, 2 in der Champions League).
In der Rubrik "Assists" liegt er derzeit bei 3 - könnte also auch hier seinen persönlichen Rekord (8 in der Saison 2018/19) in den verbleibenden Spielen noch brechen.
Die Entscheidung Guardiolas, Gündogan etwas vorzuziehen und ihn mehr wie einen 10er denn einen Achter (oder gar Sechser) agieren zu lassen, scheint sich also voll ausgezahlt zu haben. Für den Spieler selbst - und natürlich für seine Mannschaft, die mit einem uneinholbar scheinenden Vorsprung von 14 Punkten auf den Tabellenzweiten unbeirrt ihre Kreise an der Spitze der Premier League zieht.
Jogi Löw wäre gut beraten, sich dieses taktischen Kniffes seines spanischen Trainerkollegen anzunehmen - und Gündogan fortan als Zehner aufzustellen. Dann klappt es für diesen im Sommer auch endlich in der Nationalmannschaft.