Masterclass oder Sündenbock? Alle Salihamidzic-Neuzugänge beim FC Bayern im Rating

Quo vadis, Brazzo?
Quo vadis, Brazzo? / Robbie Jay Barratt - AMA/GettyImages
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Seit knapp sechs Jahren ist Hasan Salihamidzic im sportlichen Bereich des FC Bayern tätig. Die öffentliche Wahrnehmung von "Brazzo" schwankte in dieser Zeit enorm. Genau wie seine Erfolge auf dem Transfermarkt. 90min blickt auf alle 30 Neuzugänge in Brazzos Amtszeit als Sportdirektor/Sportvorstand - und bewertet sie.

Salihamidzic' Amtszeit beim FC Bayern im Kurz-Rückblick

Ende Juli 2017 wurde Hasan Salihamidzic als neuer Sportdirektor des FC Bayern vorgestellt. Der ehemalige Spieler und Klubrepräsentant war damit der lange gesuchte Nachfolger von Matthias Sammer und gilt seit jeher als Intimus von Ex-Präsident Uli Hoeneß. Knapp drei Jahre blieb Brazzo in der Rolle des Sportdirektors, ehe er im Sommer 2020 zum Sportvorstand befördert wurde.

In seiner bisherigen Zeit als sportlich Verantwortlicher beim FCB hat Salihamidzic 30 Neuzugänge verpflichtet. Lange Zeit wurde der 46-Jährige sehr kritisch betrachtet. Im vergangenen Sommer schien sich die öffentliche Wahrnehmung allerdings zu drehen. Mit den Verpflichtungen von Sadio Mané und Matthijs de Ligt gelangen Brazzo vielbeachtete Transfers, für die er von vielen gefeiert wurde. Im Januar 2023 folgte dann die Leihe von Joao Cancelo (Manchester City).

Einige Fans und Experten sprachen im Anschluss vom besten Bayern-Kader aller Zeiten. Und das, obwohl mit Robert Lewandowski der langjährige Weltklasse-Torjäger nicht mehr da ist. Auf einen Eins-zu-eins-Ersatz hatten die Bayern verzichtet.

Salihamidzic und die Bayern-Trainer

Auf der Trainerbank gab es in Salihamidzic' Amtszeit vier Übungsleiter. Zunächst kam Niko Kovac, der sich nach seiner Double-Saison im ersten Jahr schnell verabschieden musste. Auf Kovac folgte Hansi Flick. Der heutige Bundestrainer gewann mit den Bayern das Triple, trat später aber vor allem wegen Unstimmigkeiten mit Salihamidzic zurück.

Dieser präsentierte im Sommer 2021 mit Julian Nagelsmann seinen absoluten Wunschtrainer. Über 20 Millionen Euro Ablöse mussten die Bayern für Nagelsmann in die Hand nehmen. Im ersten Jahr gewannen die Bayern unter ihm "lediglich" die Meisterschaft. In Jahr zwei hatte der Rekordmeister in der Bundesliga einige Probleme und lag nur auf Rang zwei, knapp hinter dem BVB, als Nagelsman überraschend gehen musste. In der Champions League hatte er zuvor alle acht Spiele gewonnen und stand im Viertelfinale des DFB-Pokals.

Vor dem Klassiker wurde Nagelsmann durch Thomas Tuchel ersetzt, der das Duell gegen Dortmund auch gleich gewann. Im Pokal strichen die Bayern aber die Segel - in der Champions League gab es im Viertelfinal-Hinspiel eine 0:3-Pleite gegen Manchester City.

Allerspätestens jetzt hat sich die öffentliche Wahrnehmung von Salihamidzic wieder deutlich gedreht. Die Entscheidung (gemeinsam mit Oliver Kahn) den Trainerwechsel zu diesem Zeitpunkt der Saison vorzunehmen, war mindestens riskant (um es diplomatisch auszudrücken). Für die Art und Weise der Trennung ernteten die Bayern-Bosse viel Kritik.

Mittlerweile scheint es so, als würden viele seiner Entscheidungen Brazzo um die Ohren fliegen. Dazu gehört auch der zunächst gefeierte Transfer von Sadio Mané. Der 31-Jährige ist bislang total gefloppt. Negativer Höhepunkt war der Gesichtsschlag des Senegalesen gegen Leroy Sané nach der Niederlage in Manchester. Mané wurde mittlerweile vom Verein bestraft.


Die Bayern-Neuzugänge unter Hasan Salihamidzic

Um das bisherige Schaffen von Salihamidzic beim FC Bayern beurteilen zu können, wollen wir einen Blick auf die verpflichteten Spieler werfen. 30 Neuzugänge wurden beim Rekordmeister bislang unter Brazzo vorgestellt.

Hier ist ein Überblick aller Neuzugänge - inklusive 90min-Bewertung.

Spieler

Ablöse

Rating

Sandro Wagner

13 Mio. €

C

Leon Goretzka

ablösefrei

A

Alphonso Davies

14 Mio. €

A+

Lucas Hernandez

80 Mio. €

C

Benjamin Pavard

35 Mio. €

B+

Philippe Coutinho

8,5 Mio. € (Leihgebühr)

C-

Michael Cuisance

8 Mio. €

F

Fiete Arp

3 Mio. €

F

Ivan Perisic

5 Mio. € (Leihgebühr)

B

Alvaro Odriozola

Leihe

E

Leroy Sané

49 Mio. €

C+

Marc Roca

9 Mio. €

D

Bouna Sarr

8 Mio. €

F

Douglas Costa

250.000 € (Leihgebühr)

D+

Alexander Nübel

ablösefrei

C

Tanguy Nianzou

ablösefrei

D

Eric Maxim Choupo-Moting

ablösefrei

A-

Tiago Dantas

Leihe

E

Dayot Upamecano

42,5 Mio. €

B-

Marcel Sabitzer

15 Mio. €

D-

Omar Richards

ablösefrei

E

Sven Ulreich

ablösefrei

C

Matthijs de Ligt

67 Mio. €

B

Sadio Mané

32 Mio. €

F

Mathys Tel

20 Mio. €

B

Ryan Gravenberch

18,5 Mio. €

D

Noussair Mazraoui

ablösefrei

C+

Yann Sommer

8 Mio. €

C-

Daley Blind

ablösefrei

D

Joao Cancelo

Leihe

C-

Durchschnittliche Bewertung: C-

Erklärung der Benotung:
A - sehr gut

B - gut

C - ordentlicher Griff

D - wenig zufriedenstellend

E - schlechter Transfer

F - Mega-Flop


Beste Transfers

Die besten Brazzo-Transfers auszumachen, ist nicht wirklich schwer. Die beiden Zugänge in der Saison 2018/19 waren stark. Zunächst kam Leon Goretzka ablösefrei von Schalke. Im Winter dann der zuvor völlig unbekannte Alphonso Davies aus Vancouver. Die 14 Millionen Euro Ablöse haben sich definitiv gelohnt!

Ein guter Griff war auch die ablösefreie Verpflichtung von Eric Maxim Choupo-Moting, der zunächst als Lewandowski-Backup funktionierte und in der laufenden Saison als Mittelstürmer Nummer eins (oder besser: als einziger Mittelstürmer im Kader) konstant trifft.

Schlechteste Transfers

Die Deals mit Cuisance, Arp und Sarr waren ein Griff ins Klo. Auch Roca funktionierte kaum in München, da die Bayern schlicht eine Nummer zu groß für den Spanier waren. Roca und Sarr waren Last-Minute-Käufe im Sommer 2022, als Salihamidzic auf den letzten Transfer-Metern gemerkt hatte, dass der Kader nicht breit genug besetzt ist.

Die Verpflichtung von Sadio Mané muss ebenfalls bereits als große Fehlentscheidung betrachtet werden.

Kontroverseste Transfers

Den kontroversesten Tansfer tätigte Brazzo im Sommer 2019. Damals zogen die Bayern bei Lucas Hernandez die Ausstiegsklausel und lockten den Franzosen von Atletico Madrid nach München. Ohne die Ablöse zu betrachten, ein starker Deal. Blickt man jedoch auf die 80 Millionen Euro, die der FCB bezahlen musste, sollte man sich noch heute fragen, ob das nötig war.

Hernandez ist damit der Rekord-Einkauf der Münchner. Ein Weltklasse-Verteidiger ohne Zweifel. Allerdings auch extrem verletzungsanfällig. Im Verhältnis zu allen anderen Bayern-Transfers - vor Brazzo und während seiner Amtszeit - war der Deal mit Hernandez einfach zu teuer.

Fragen kann man sich auch durchaus, ob man einen Matthijs de Ligt wirklich für knapp 70 Millionen Euro gebraucht hat (Ablöse kann durch Boni noch über 70 Mio. Euro steigen). Zumal Niklas Süle im Gegenzug ablösefrei ziehen gelassen wurde. Der Niederländer hat sich mittlerweile als Stabilisator und Abwehrchef etabliert. Doch selbst ohne ihn wären die Bayern defensiv noch ordentlich aufgestellt. Auf einen neuen Mittelstürmer hatte man dagegen - wohl vor allem aus Kostengründen - verzichten.

Transfers im echten Leben laufen zwar nicht wie im Manager-Modus am PC oder der Konsole. Man stelle sich aber nur einmal vor, was mit den Ablösen für de Ligt und Mané (ca. 100 Mio. Euro) möglich gewesen wäre...