Marc-André ter Stegen hat den Spott nicht verdient - Manuel Neuer zeigt Mitgefühl

Marc-André ter Stegen spielt seit 2014 für den FC Barcelona
Marc-André ter Stegen spielt seit 2014 für den FC Barcelona / Denis Doyle/Getty Images
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Der FC Barcelona hat gegen den FC Bayern eine historische Niederlage kassiert. Schon während des Spiels musste vor allem Marc-André ter Stegen viel einstecken, weil das Spiel zum Duell Neuer gegen ter Stegen hochstilisert wurde. Doch Häme und Spott für den, der am wenigsten Schuld an dieser Klatsche trägt, sind unangebracht.

Wenn er unter den Augen von ganz Deutschland spielt, dann hat Marc-André ter Stegen wahrlich kein einfaches Leben. Schon sein erstes Länderspiel für den DFB im Mai 2012 verdeutlichte dies, verlor eine schwache deutsche Nationalmannschaft doch mit 3:5 gegen die Schweiz. Seine nächsten beiden Länderspiele waren ein 1:3 gegen Argentinien und ein 3:4 gegen die USA. Ter Stegen war nicht unschuldig an allen 12 Gegentoren in diesen drei Partien, doch verantwortlich für die schlechten Testspiel-Auftritte war er nicht.

Diese Spiele gaben aber immer den Menschen, die ter Stegen absprachen, dass er es mit Manuel Neuer aufnehmen kann, den nötigen Treibstoff. Keine Frage, zum damaligen Zeitpunkt war das auch sicherlich nicht der Fall - doch leider hält sich diese Meinung bis heute. Das hat allein schon die Vorberichterstattung des Spiels des FC Bayern gegen den FC Barcelona im Viertelfinale der Champions League gezeigt.

Manuel Neuer ist seit 2010 Stammtorhüter in der deutschen Nationalmannschaft
Manuel Neuer ist seit 2010 Stammtorhüter in der deutschen Nationalmannschaft / Alexander Hassenstein/Getty Images

Es wurde hochstilisiert zum Duell Neuer gegen ter Stegen. Schon lange ist der Konkurrenzkampf im deutschen Tor immer wieder eine Story, wobei es diesen Kampf gar nicht gibt. Neuer ist klar gesetzt, weil er nach wie vor Weltklasse ist, und ter Stegen hat einfach Pech, zur selben Zeit wie der 34-Jährige aktiv zu sein.

Totzdem hat der gebürtige Mönchengladbacher natürlich stets betont, dass er gerne die Nummer eins wäre und seine großartigen Leistungen im Tor des FC Barcelona untermauerten diesen Anspruch. Das Problem: Viele deutsche Fußballfans bekommen davon wenig mit, sie sehen ter Stegen nur ab und an in der Nationalmannschaft oder auf der großen Bühne der Champions League, vor allem natürlich gegen die deutschen Mannschaften wie jetzt die Bayern.

Rummenigge und Köpke mit fragwürdigen Aussagen

Wenn dann auch noch Karl-Heinz Rummenigge vor dem Spiel sagt, Neuer sei Weltklasse und ter Stegen auf dem Weg dahin, und außerdem DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke meint, das Duell zweier Torhüter sei entscheidend für den Ausgang eines Spiels, dann wird ter Stegen plötzlich in die Pflicht genommen, etwas beweisen zu müssen.

Wenn die Vorderleute dann derart desolat auftreten wie am Freitagabend, dann kann einem der Torhüter nur leid tun. Ter Stegen war sicher nicht fehlerfrei, vor allem im Aufbauspiel, doch an keinem der acht Gegentore trägt er die Hauptschuld. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis aus jeder Richtung auf den 28-Jährigen eingedroschen wurde, als wäre er allein für den Untergang der Katalanen verantwortlich und es hätte sich jetzt endgültig gezeigt, dass Neuer um längen besser ist. Man soll ihn nie wieder in einem Atemzug mit Neuer nennen, war hier und da in den sozialen Netzwerken zu lesen.

Ter Stegen jetzt aber wegen dieses einen Spiels seine Klasse absprechen zu wollen, ist kompletter Unsinn. Davon zu reden, Neuer habe irgendein Duell (was für ein Duell eigentlich? Wo und wann treffen sich Torhüter in einem Spiel?) klar gewonnen, auch. Marc-André ter Stegen ist trotz dieser acht Gegentore weiterhin einer der besten Torhüter auf dem Planeten und sicher nicht schlechter als Manuel Neuer. Und wer das nicht glauben will, sollte sich nicht nur die wenigen Spiele in der Nationalmannschaft und ab und an in der Champions League anschauen.

Neuer fühlt mit ter Stegen

Einer, der das begriffen hat, ist Manuel Neuer. Wegen des Konkurrenzkampfes im deutschen Tor sollen er und ter Stegen angeblich nicht das beste Verhältnis zueinander haben. DFB-Torwarttrainer Köpke beschrieb es kürzlich als "professionell", was wohl alles darüber aussagt. Trotzdem war sich der Bayern-Torwart nicht zu schade, nach dem Spiel ein paar mitfühlende Worte für den Kollegen zu finden: "Es tut mir ein bisschen leid für Marc, dass er so viele Tore kassiert hat", sagte er am Sky-Mikrofon. "Für uns ist es natürlich gut, aber das wünscht man natürlich keinem Teamkollegen aus der Nationalmannschaft."

Es zeigt, dass Neuer genau weiß, dass ter Stegen jetzt von allen Seiten angegriffen wird, obwohl er keine Hauptschuld an der Blamage trägt. Und es beweist Größe, nach einem solchen Spiel nicht so etwas zu sagen wie: "Jetzt habe ich klar gezeigt, warum ich die Nummer eins bin", sondern mit dem Kollegen mitzufühlen.