Lampard-Aus bei Chelsea: Abramowitsch senkt mal wieder viel zu schnell den Daumen

Frank Lampard ist Geschichte beim FC Chelsea.
Frank Lampard ist Geschichte beim FC Chelsea. / Clive Brunskill/Getty Images
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Frank Lampard ist nicht mehr Trainer des FC Chelsea. Das gab der Verein am Montag bekannt. Damit endet die Ära der Vereinsikone nach fast eineinhalb Jahren. Es hätte so ein schönes Fußballmärchen werden können, aber am Ende senkte Chelsea-Boss Roman Abramowitsch mal wieder zu schnell den Daumen über einem Trainer.

Der Erfolg muss schnell her und lange anhalten

Seit 2003 ist Abramowitsch der Chef beim FC Chelsea.
Seit 2003 ist Abramowitsch der Chef beim FC Chelsea. / BEN STANSALL/Getty Images

Der russische Investor ist seit seinem Einstieg 2003 dafür bekannt, seinen Trainern nicht viel Zeit zu geben. Am besten sollte der neue Coach direkt in seiner ersten Saison die Premier League gewinnen. Am besten auch noch einen oder beide Pokalwettbewerbe. Dazu noch die Champions League. Das sind die Größenordnungen, in denen Abramowitsch denkt.

Klar hat er mit seinem Geld Chelsea zu einer großen Nummer im europäischen Fußball geformt. Davor war Chelsea irgendwie immer da, aber niemals wirklich einer der großen Titelkandidaten. Diese Rolle teilten sich bis dahin die Clubs aus Manchester, Liverpool und Wengers Arsenal. Doch dann verschob sich das Mächteverhältnis im englischen Fußball. Plötzlich waren die Blues eine Mannschaft, die um die Meisterschaft mitspielten.

Doch schon direkt in den ersten Jahren wurde klar, für den mächtigen Investoren zählen nur Trophäen. Drei verschiedene Meistertrainer wurden entlassen, weil sie im Folgejahr den Titel nicht verteidigen konnten. Die Namen lesen sich wie ein who is who der Trainerkunde. Zweimal traf es Jose Mourinho und je einmal Carlo Ancelotti und Antonio Conte. Bis zu Lampards Verpflichtung durfte nur Mourinho einmal bleiben, obwohl er eine Saison schlechter als Platz zwei beendete. "The Special One" hatte wohl noch einen Vertrauens-Vorschuss aus seinen zwei Meisterschaften.

Es zeigt sich, bei Chelsea kommt im Schnitt fast alle halbe Jahr ein neuer Manager an die Seitenlinie. Wer keinen Erfolg hat, ist weg. Der Clubbesitzer ist der Chefentscheider. Am Ende geht es darum Titel zu holen und diese dann zu verteidigen. This is how business works in London.

Der Sonderfall Lampard - Transfersperre und Trainerneuling

Mason Mount war zuletzt sogar Kapitän.
Mason Mount war zuletzt sogar Kapitän. / Catherine Ivill/Getty Images

Als Frank Lampard das Traineramt beim FC Chelsea übernahm, fand er eine Situation vor, die bisher noch keiner seiner Vorgänger erleben musste. Die UEFA hatte den Verein mit einer Transfersperre belegt. Der Lieblingsklub der besseren 10.000 Londons war plötzlich zum Sparen gezwungen. Hatte man in den zwei Jahren zuvor noch fast 470 Mio. Euro für neue Spieler ausgegeben, durften nun keine neuen geholt werden. Eine heftige Einschränkung. Vor allem, wenn man einen Trainerneuling an der Seitenlinie stehen hat, der erst ein Jahr Berufserfahrung bei einem Zweitligisten gesammelt hatte.

Lampard kompensierte das Problem, indem er junge Spieler aus Chelseas Jugend hochzog, ihnen Spielpraxis in der Premier League und Champions-League gab und somit den Kader für die künftigen Aufgaben stärkte. Seine Schützlinge zahlten es ihm mit Leistungen zurück. Mason Mount oder Tammy Abraham sind bis zuletzt Stammspieler gewesen.

Es zeigte sich, dass der Nachwuchs einige Juwele parat hat. Dies ist wohl Lampards größter Verdienst in seiner Zeit bei Chelsea. Er machte junge Spieler stark. Er machte sie besser. Er machte sie so gut, dass das Team die Liga auf Platz vier Abschloss. Noch vor Leicester City oder Arsenal. Ein grandioser Erfolg. Aus dieser Entwicklung der Mannschaft können die Londoner noch lange nachhaltig profitieren. Die jungen Stars wissen nun, wie gut sie wirklich sind. Das Recht auf dieses Selbstbewusstsein hat Frank Lampard ihnen gegeben.

Erste Krise führt direkt zu Entlassung - Chelsea mal wieder vorschnell

Die aktuelle Tabellenplatzierung ist nicht das, was sich die Bosse und Lampard vor der Saison vorgestellt haben. Da braucht man nicht drumherum zu reden. Rang neun ist für die Ansprüche des Spitzenklubs nicht genug. Genauso wenig wie nur drei Siege aus den letzten zehn Spielen. Aber hier kommt das große Aber. Die Saison ist noch lang. Gerade einmal die Hinrunde ist gespielt. Es wäre noch genug Zeit gewesen, das Ruder wieder herumzureißen.

Der FC Arsenal hat es zuletzt vorgemacht. Lag man vor fünf Wochen noch auf dem 15. Tabellenplatz, kämpfte man sich jetzt in den letzten sieben Spielen mit fünf Siegen und einem Unentschieden einen Ticken nach oben. Es ist also möglich eine Trendwende herbeizuführen. Abramowitsch hat viel zu schnell geurteilt.

Dass er Lampard weiterhin als Legende des Vereins bezeichnet ist schön und gut. Aber er ist es ihm wenigstens schuldig, dass der Trainer sich weiterentwickeln kann. Es ist die erste Krise in Lampards Trainer-Laufbahn. Irgendwann hat die jeder mal. Und sicher wäre "Super-Frankie" auch da wieder rausgekommen. Seit Spieltag elf bot Chelsea stets die gleiche Formation auf. Das 4-3-3 wurde berechenbar. Vielleicht hätte Lampard das ja zur Rückrunde umgestellt. Gemerkt, dass Timo Werner kein Flügelspieler ist. Oder eingesehen, dass Kai Havertz eine feste Position hinter den Spitzen braucht, um als Spielgestalter wirken kann.

Apropos Werner und Havertz. Dass die beiden aktuell nicht so performen wie gewünscht, liegt nicht nur am System. Bis auf Keeper Mendy laufen eigentlich alle Spieler ihrer Form aus der vergangenen Saison hinterher. Auch der dritte Neuzugang Hakim Ziyech hat erst einmal getroffen. Es kann nicht immer nur am Trainer liegen. Aber natürlich ist es einfacher einen Trainer zu entlassen als eine ganze Mannschaft. Und das wurde Lampard nun zum Verhängnis.

Tuchel übernimmt - Aber Lampard hätte weitermachen sollen

Die Trennung von Frank Lampard als Trainer des FC Chelsea war schon längst kein Geheimnis mehr. Auch der Sieg im Pokal gegen Luton Town wird nur ein schwaches Trostpflaster für den stolzen Londoner sein. Er hätte der Mann an der Seitenlinie bleiben sollen. Abramowitschs Aktionismus kostet mal wieder viel zu schnell einen guten Trainer den Job.

Pep Guardiola lehnte unter anderem deshalb während seines Sabbatjahres ein Angebot der Blues ab. Lampard wusste, worauf er sich einlässt. Er wäre im Stande gewesen, eine Ära an der Stamford Bridge zu prägen. Mit seinen Jungen Wilden erinnerte er stark an die Ajax-Mannschaft um Frenkie de Jong, Donny van de Beek und Matthijs de Ligt. Sie hätten die nächste große Nummer in Europa werden können.

Aber so knallt der allzu mächtige Teambesitzer einem vielversprechendem Trainer-Talent die Tür vor der Nase zu. Es wäre Lampard möglich gewesen, aus dem Tief wieder herauszukommen. Es wäre für ihn lehrreich gewesen und auch für den Verein. Aber es zeigt wieder einmal, dass bei Chelsea trotz seiner Schonfrist im ersten Jahr nur eines zählt. Und zwar Titel. Am besten schnell und dann so lange wie möglich verteidigen. Ansonsten ist man als Coach ganz schnell Geschichte.