Karriereende mit 25: Warum viele Fußballerinnen ihre Karriere jung beenden

5 Spielerinnen - 5 Geschichten - 1 frühes Karriereende
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35, 37, oder gar jenseits der 40: In diesem Alter beenden viele Fußballer ihre Karriere. Im Frauenbereich sieht das ganz anders aus: Ein Karriereende mit 25, 26 oder 27 ist nicht ungewöhnlich, sei es aus beruflichen, familiären oder anderen Gründen. 90min hat mit fünf Fußballerinnen gesprochen, die früh ihre Schuhe an den Nagel gehängt haben - das sind ihre Geschichten.


Das Karriereende: Ein Wort, das etwas Definitives hat, ein Einschnitt, das Ende eines Abschnitts, ein Bruch. Aber in vielen Fällen passt es besser, von einer Prioritäten-Verschiebung zu sprechen. Denn um die ganz große Karriere, den Ruhm und den Erfolg, darum geht es vielen Spielerinnen sowieso nicht. Und oft bleibt der Fußball auch nach dem "Ende" der Karriere im Leben präsent. 

Fünf Spielerinnen - fünf individuelle Geschichten

So etwa bei Thea Fullenkamp. Die 26-Jährige spielte jahrelang beim SV Meppen, war in der Abwehr der Emsländerinnen Leistungsträgerin und Führungsspielerin. Inzwischen spielt sie hobbymäßig Futsal beim UFC Münster.

Auch Nina Ehegötz ist weiterhin - oder besser: wieder - fußballerisch aktiv. Die 25-Jährige legte nach ihrem Karriereende diesen Winter zunächst eine siebenmonatige Pause ein und steht nun hobbymäßig für den Drittligisten Viktoria Berlin auf dem Platz. Ehegötz war zuvor für Turbine Potsdam auf Torjagd gegangen.

Ein Comeback gab es auch bei Meike Kämper, die einige Monate nach ihrem Karriereende doch nochmal mit dem Bus nach München fuhr, um dort im Trikot der SGS Essen gegen Bayern das Tor zu hüten. Bei Kämper, die zuvor ihre gesamte Karriere dem MSV Duisburg treugeblieben war, blieb es aber bei einer einmaligen Aktion. 

Aber es kann auch ganz anders laufen, so wie bei Lina Bürger. Nach Stationen bei Hoffenheim und Freiburg musste Bürger ihre Karriere verletzungsbedingt beenden. Noch heute kann sie nicht schmerzfrei joggen, an Fußball ist nicht zu denken. 

Anne Fühner dagegen freut sich, nun auch andere Sportarten auszuprobieren. Die Mittelfeldspielerin hatte vor ihrem Karriereende dieses Jahr zehn Jahre lang bei Hoffenheim gespielt.

Fünf Spielerinnen, fünf Geschichten, fünf verschiedene Motive: Warum beendet man mit 27 oder jünger die Karriere? Davon haben die fünf 90min erzählt. So individuell die Spielerinnen und ihre Überlegungen sind, einige gemeinsame Nenner gibt es. Fünf Gründe stachen bei den Interviews besonders heraus: Der Beruf, finanzielle Aspekte, Zeit für Familie und Freunde, Verletzungen und der Spaß am Fußball.

Der Beruf ruft

Vielleicht der wichtigste dabei ist der Beruf. Die Frage nach der "zweiten Karriere" stellt sich für fast alle Spielerinnen noch während ihrer Laufbahn. Die allermeisten von ihnen bereiten sich noch während der aktiven Zeit mit einem Studium oder einer Ausbildung darauf vor. Auch bei vier der fünf Spielerinnen, mit denen 90min sprach, drehte sich einiges um den Beruf. Dass sie allesamt schon ihr Studium beendet hatten und gute berufliche Aussichten hatten, erleichterte bei vielen die Entscheidung für das Karriereende. 

Thea Fullenkamp, Maria Reisinger
Thea Fullenkamp (links) wird beim SV Meppen verabschiedet / Christof Koepsel/GettyImages

So etwa bei Thea Fullenkamp. Die Entscheidung gegen den Erstligafußball war für Fullenkamp gleichzeitig die für ihr Referendariat, das nach abgeschlossenem Lehramtsstudium anstand. "In beiden Tätigkeiten 100 Prozent geben war für mich nicht machbar. Wenn man Fußball spielt und nebenbei arbeitet, ist das ein enormer Zeit- und auch Kraftaufwand", sagt sie heute. 

Das beschreiben auch die anderen Spielerinnen: Beruf und Fußball unter einen Hut zu bringen ist eine enorme mentale und physische Herausforderung. Wenn dann noch andere Beweggründe dazukommen, fällt die Entscheidung eher für den Beruf.

Auch für Nina Ehegötz war die berufliche Laufbahn ein Faktor. Ehegötz, die sich selbst als ehrgeizigen Menschen beschreibt, hatte auch die Karriere nach der Karriere im Blick: "Wenn man erst mit Anfang 30 aufhört mit dem Fußball, verpasst man, glaube ich, ein paar wichtige Jahre in der Berufslaufbahn. Für mich hat es sich nicht mehr gelohnt, so viel Zeit und so viel Aufwand in den Fußball zu investieren", sagt die 25-Jährige jetzt. 

Money, money, money

Die Frage, ob sich der Fußball noch lohnt, hängt natürlich auch mit dem Geld zusammen. Nicht nur, aber doch wesentlich. Für keine der Spielerinnen, so auch für Nina Ehegötz, war ihr Gehalt während der aktiven Laufbahn ein Grund, aufzuhören. Aber es war ein Grund, weiter darüber nachzudenken, ob es wirklich Sinn macht, weiterzuspielen. 

Nina Ehegoetz
Nina Ehegötz im Turbine-Trikot / Boris Streubel/GettyImages

Anders als bei den Männern ist nach dem Karriereende kein rasanter Abfall des Gehaltsniveaus zu erwarten, im Gegenteil: "Ich hatte ein gutes Studentenleben, aber langfristig ist das nicht viel. Wenn ich das jetzt vergleiche mit dem Gehalt zum Berufseinstieg, ist es schon ein Unterschied. Ich war ganz schön erschrocken, dass ich, wenn ich nach meiner Masterarbeit in den Job einsteige, schon mehr verdienen werde, als ich je im Fußball verdient habe. Das ist eigentlich traurig", sagt Nina Ehegötz.

Bei den Stars von Bayern und Wolfsburg mag das anders aussehen, aber für die allermeisten Bundesliga-Spielerinnen ist das Realität. Auch bei Spielerinnen wie Ehegötz, die leistungsmäßig oben dabei sind. Jammern möchte über das Gehalt auch niemand, aber es ist ein Erklärungsfaktor. 

Noch mehr ist das eine Ebene unter der Bundesliga der Fall. Thea Fullenkamp etwa, die meiste Zeit in der zweiten Liga aktiv, entschied sich auch für die berufliche Laufbahn, weil sie nur mit dem Geld vom Fußball nicht finanziell auf eigenen Füßen stehen konnte. "Irgendwann wollte ich mein eigenes Geld verdienen, weil ich durch das Studium schon länger von meinen Eltern abhängig war. Es ist einfach so, dass man nicht nur von Fußball leben kann", sagt sie.

Wenn das möglich gewesen wäre, dann hätte sie vielleicht ihre "große Leidenschaft", den Fußball, weiter ausgeübt, meint sie: "Es hätte schon einen Unterschied gemacht, davon seine Miete, seinen Lebensunterhalt und die Freizeit bezahlen zu können." Dabei hätte es keine astronomischen Dimensionen wie im Männerfußball benötigt, aber so viel, dass Geld kein Thema wäre. "Vom Fußball wirst du eben nicht reich", um es in den Worten von Meike Kämper zu sagen. 

Jedes Wochenende auf dem Platz – kaum Zeit für Freunde und Familie

Die verschiedenen "Fs" sind schwer zu vereinen: Fußball, Finanzielles, Familie, Freunde. 

Bei Anne Fühner war diese Unvereinbarkeit ein Grund für das Karriereende. Sie hätte es sich vorstellen können, noch einmal den Verein zu wechseln, im Ausland neu anzufangen. Aber eine Fernbeziehung konnte sie sich nicht vorstellen, und ihr Partner hätte ansonsten kündigen müssen. "Es ist im Frauenfußball nicht so, dass ich bei einem Wechsel, ob ins Ausland oder innerhalb Deutschlands, so viel verdienen würde, dass mein Freund seine Arbeit kündigen könnte und erstmal vor Ort nach einem Job schauen könnte", erklärt Fühner. 

Die wenige Zeit ihren Freunden und der Familie spielte bei Fühner ebenfalls in die Entscheidung herein. "Ich hatte selten die Möglichkeit, Zeit mit meiner Familie zu verbringen, konnte nur alle paar Monate heimfahren. Es ändert schon viel, dass ich jetzt auch mal zum Geburtstag von meinen Eltern fahren kann, oder einfach meine Oma besuchen", sagt Fühner. Ähnlich ging es Meike Kämper: "Man ist viel fremdbestimmt, man muss immer ins Training gehen, Wochenenden sind fast nie frei. Irgendwann hat auch die Motivation gefehlt", sagt sie. 

Meike Kaemper
Meike Kämper blieb während ihrer gesamten Karriere dem MSV Duisburg treu / Oliver Hardt/GettyImages

Ein offensichtlicher Unterschied zum Männerfußball ist das Thema Familienplanung, das auch bei Meike Kämper ein entscheidender Punkt war. Inzwischen zeigen mit Almuth Schult und Melanie Leupolz zwei prominente Nationalspielerinnen, dass die Rollen als Mutter und Fußballspielerin sich nicht ausschließen müssen. Es bleibt aber ein eher seltenes Modell, das besonders in kleineren Vereinen als Wolfsburg und Chelsea einiges an Stress mit sich bringen kann. 

Für Kämper war es daher keine Idee, noch während der Karriere ein Kind zu bekommen: "Für mich wäre es einfach keine Option gewesen, nach der Geburt noch weiterzuspielen, und dass ich dann zum Beispiel am Wochenende mit dem Kind auf Auswärtsfahrt wäre. Aber das muss jeder für sich selber wissen. Da hat ja jeder seine eigene Lebensplanung", sagt sie. 

Wenn das Karriereende keine Wahl ist: Verletzungen

Lina Bürger
Lina Bürger im SC-Trikot - wegen anhaltender Knieprobleme konnte sie nur selten für Freiburg spielen. / Thomas Niedermueller/GettyImages

Die Lebensplanung: Bei Lina Bürger machte ihr das Pech einen Strich durch diese Rechnung. Bürger war eine solide Mittelfeldspielerin für Hoffenheim und Freiburg - wenn sie auf dem Platz stand. Denn einen erheblichen Teil der letzten Jahre ihrer Karriere verbrachte die 27-Jährige nicht auf dem Rasen, sondern in der Reha. Anhaltende Knieprobleme zwangen Bürger, letzten Endes einen Schlussstrich zu ziehen, immer wieder wurde sie von einer neuen Verletzung zurückgeworfen.

"Trotz der Summe der Verletzungen dachte ich immer wieder aufs Neue, das schaffe ich jetzt nochmal, das packe ich. [...] Aber es war kaputt. Es ging einfach nicht mehr." Anders als bei den anderen war es schlussendlich nicht Bürger selbst, die die Entscheidung traf, sie hielt sich an den Ratschlag der Ärzte. Bis heute hat ihre lange Verletzungshistorie Folgen für Bürger: "Ich konnte nicht und kann bis heute immer noch nicht schmerzfrei joggen gehen", sagt sie. 

Die vielen Verletzungen in der Frauen-Bundesliga, besonders Kreuzbandrisse, sind ein vieldiskutiertes Thema. Eine der geläufigsten Erklärungen: Die mangelnde Infrastruktur. Bürger erzählt von nicht immer optimalen Bedingungen: Oft sind die Physiotherapeuten nicht Vollzeit bei dem Verein angestellt, oder die Spielerinnen müssen in die Klinik fahren, weil der Arzt extern ist. Bürger betont, dass alle Beteiligten mit viel Einsatz versucht haben, die Situation optimal zu gestalten, aber förderlich können diese Bedingungen trotzdem nicht sein.

Das war laut ihr besonders in Freiburg der Fall: "Im Training selbst war immer jemand da, aber vor dem Training, zur Behandlung, oder zum Tapen, war das nicht immer so. Da war die Infrastruktur auch nicht so gut ausgestattet." Inzwischen hat der Verein das aber geändert und mit dem Umzug ins Dreisamstadion einen "Riesenschritt nach vorne" gemacht, wie es Bürger sagt.

Der Spaß am Fußball

Durch die Verletzungen kann auch - ein oft unterschätzter Aspekt - der Spaß am Fußball verloren gehen. So ging es Nina Ehegötz.

Die Turbine-Stürmerin war es gewohnt, unter den Besten zu sein, auffällig zu sein, auf dem Platz voranzugehen. Doch nach zwei Kreuzbandrissen innerhalb von zwei Jahren merkte sie, dass sie nicht hundertprozentig an ihr altes Niveau anknüpfen konnte. "Im letzten Jahr habe ich diesem Druck, den ich mir selber gemacht habe, nicht mehr standhalten können. Ich habe den Spaß am Fußball verloren und konnte nicht mehr einfach im Training Spaß haben und die Spiele genießen, sondern war nie zufrieden. Das hat sich irgendwann so hochgeschaukelt in die negative Richtung, dass ich überlegt habe, wo meine Prioritäten liegen", sagt Ehegötz nun.

Hier zeigt sich erneut: Alle der fünf hauptsächlichen Faktoren für ein Karriereende hängen zusammen, beeinflussen sich gegenseitig.

Anne Fuehner
Anne Fühner wurde der Druck im Fußball zu viel / Alexander Scheuber/GettyImages

Auch Anne Fühner konnte den Fußball zum Ende ihrer Karriere nicht mehr so genießen wie früher, wie sie heute sagt, auch ihr wurde der Druck zu viel. Fühner verbrachte ihre gesamte Laufbahn bei der TSG Hoffenheim und entschied sich, diesen Sommer mit 27 ihre Karriere zu beenden. 

Etwa ein halbes Jahr später sagt sie, dass es ihr zu viel wurde: zu viel Druck, zu viele Enttäuschungen, zu viele Zweifel: "Man spürt einfach den Druck, man will spielen, man muss spielen, man muss immer gute Leistungen bringen, man muss jeden Tag trainieren. Das Fußballgeschäft ist mental ziemlich hart. Da muss man der Typ dafür sein, dass einem auch vieles egal ist. Man braucht einiges an Selbstbewusstsein. Da habe ich immer große Probleme gehabt, habe oft an mir gezweifelt und an meinen Leistungen. Vielleicht habe ich auch nicht immer das Trainerglück gehabt. Ich war immer eine Spielerin, die die Stärkung im Rücken spüren musste, um meine Leistung zu bringen."

Anders als Ehegötz war Fühner keine unumstrittene Stammspielerin, die Konstellation also eine etwas andere. Langfristig wurde ihr dieser Kreislauf zu viel: trainieren, hoffen, spielen, trainieren, nicht spielen, trainieren, hoffen, nur eingewechselt werden… "Man hat in dem Geschäft immer wieder mit Enttäuschungen zu tun. Zum Beispiel, dass man nicht spielt am Wochenende, oder die Einzige ist, die nicht eingewechselt wird. Oder mit der zweiten Mannschaft spielen muss. Solche Kleinigkeiten können einen schon treffen", sagt Fühner.

Bei allen bleibt die Leidenschaft für den Fußball

Was bei allen bleibt, trotz der teils schmerzhaften Entscheidung für das Karriereende, ist die Leidenschaft für den Fußball. Dass diese zurückkommen kann, zeigt das Beispiel von Nina Ehegötz, inzwischen hobbymäßig bei Viktoria Berlin aktiv.

Viktoria hat ein ambitioniertes Team von Investorinnen, rund um die ehemalige Nationalspielerin Ariane Hingst, und will langfristig in die Bundesliga. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten. "Viktoria ist natürlich ambitioniert und ich möchte dem Verein gerne helfen, alle Ziele zu erreichen und kann mich dabei trotzdem weiter auf meine berufliche Entwicklung konzentrieren. Ich wurde da total nett aufgenommen und habe den Spaß zurückgewonnen, kann den Fußball wieder als Hobby betrachten und bin keine Profifußballerin mehr", sagt Ehegötz. 

Diese Liebe zum Fußball erklärt auch, warum trotz aller genannten Gründe, viele trotzdem weiterspielen. Alle fünf kennen weitere Spielerinnen, die zumindest darüber nachgedacht haben, ein Thema ist das Karriereende - oder besser, die Prioritätenverschiebung, immer. Frohen Mutes wird die Entscheidung dennoch selten getroffen, Lina Bürger sagt: "Besonders, wenn man in der Reha ist, fragt man sich manchmal: Warum mache ich das überhaupt? Aber ernsthaft aufhören zu wollen, dafür ist die Leidenschaft doch zu groß."


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