Kimmich bedauert späte Impf-Entscheidung und verurteilt Belästigungen im Heimatort
Von Marc Knieper
Joshua Kimmich polarisiert und politisiert die Massen. Weil er sich nicht impfen ließ und am Coronavirus erkrankte, wird der Profi des FC Bayern weit über den Fußball-Cosmos hinaus teils stark kritisiert. Nun sprach der 26-Jährige ausführlich und emotional in einem Interview mit dem ZDF über die Infektion, seine Impfentscheidung und die (zu) heftige Kritik.
Die plötzliche Meldung, Kimmich sei am Virus erkrankt, "war natürlich nicht schön", entgegnete er gleich zu Beginn der Sportstudio-Reportage und erklärte: "Ich war davor schon zwei Wochen in Quarantäne. Jeweils eine Woche als Kontaktperson. Und am letzten Tag meiner Quarantäne kam dann der positive Test. Da habe ich dann natürlich gehofft, dass ich einen milden Verlauf haben und keine Folgeschäden davontragen werde."
Tatsächlich war sein Krankheitsverlauf recht mild. Geschmeckt und gerochen hat der Nationalspieler dennoch nichts. Und Fußball spielen darf er in diesem Jahr auch nicht mehr. Wassereinlagerungen in der Lunge hindern ihn daran. Aber: "Wenn ich es jetzt zehn Tage etwas ruhiger angehen lasse, sollten keine weiteren Folgen entstehen."
Kimmich wurde bewusst: "Du hast es nicht in der eigenen Hand"
Dass er sich nicht impfen ließ, bereut er mittlerweile. "Ich habe lange Zeit sowohl bei der Krankheit als auch beim Impfen Risiken gesehen. Ich habe gedacht, dass ich mich selbst vor der Krankheit schützen kann, wenn ich mich an die entsprechenden Maßnahmen halte. Dadurch, dass ich alle drei Tage getestet wurde, konnte ich ausschließen, dass ich eine Gefahr für alle anderen darstelle. Was für mich wichtig war", so Kimmich über sein bisheriges Vorgehen als Ungeimpfter.
Im Endeffekt habe er nun aber zu spüren bekommen, dass das bloße Einhalten der Maßnahmen schlicht und ergreifend nicht ausreicht. "Wir hatten dann auch in der Mannschaft den einen oder anderen Fall. Weshalb ich dann auch in Quarantäne musste. Und da wurde mir dann schon bewusst: 'Du hast es nicht in der eigenen Hand.'"
Endlich: Kimmich will sich impfen lassen
Nach diesen Ereignissen möchte er sich definitiv impfen lassen. Schon während seiner zweiten Quarantänephase machte er einen Impf-Termin mit dem Mannschaftsarzt aus, doch dann kam die Erkrankung dazwischen. "Jetzt ist es ja erstmal so, dass ich in ein paar Tagen als genesen gelte. Dieser Status dauert eine gewisse Zeit lang an. Wenn es dann empfohlen wird, und der Zeitpunkt da ist, werde ich mich impfen lassen."
"Rückwirkend gesehen würde ich die Entscheidung des Impfens früher treffen."
- Joshua Kimmich gegenüber dem ZDF
Dass er die Entscheidung des Impfens schon viel eher hätte fällen müssen, ist dem wertvollsten Profi des FC Bayern mittlerweile klar. Aber: Er musste eben erst auf die Schnauze fallen, um es zu bemerken. "Es war für mich schwierig, mit meinen Ängsten und Bedenken umzugehen. Deshalb war ich so lange unentschlossen. Deshalb konnte ich die Entscheidung zu dem Zeitpunkt auch nicht treffen und musste erst das durchleben, was ich jetzt durchlebt habe."
Ein schlechtes Gewissen gegenüber der Familie und den Mitspielern habe er definitiv. "Dadurch, dass ich zweimal je eine Woche verpasst habe, weil ich Kontaktperson war", habe er seine Mannschaft im Stich gelassen. "Das wäre mit einer Impfung nicht passiert." Die Gehaltskürzungen kann er absolut nachvollziehen.
Kimmich-Kritik schlug über die Stränge
Jegliche sachliche Kritik könne er absolut nachvollziehen und verstehen. Hier und da wurden aber Grenzen überschritten. "Das war dann nicht immer nur sachliche Kritik. Und es ging nicht immer nur darum, die Unentschlossenheit zu kritisieren."
"Es war sogar so, dass bei der Beerdigung meines Opas Presse vor Ort war."
- Kimmich über das Ausufern der Kritik
Denn: "In meinem Fall sind sehr viele persönliche Informationen an die Öffentlichkeit geraten. Es war dann so, dass man in mein Heimatdorf gefahren ist, bei meinen Eltern geklingelt hat. Versucht hat, die vor die Kamera zu kriegen. Meine Onkels. Meine Tanten. Man ist ins Dorf in die Wirtshäuser gegangen und hat versucht, dort die Menschen zu interviewen. Vor der Kirche. Es war sogar so, dass bei der Beerdigung meines Opas Presse vor Ort war."
Dinge, die eindeutig zu weit gehen. "Und da stelle ich mir schon die Frage, wo ist da die Grenze. Wie wollen wir in unserer Gesellschaft miteinander umgehen. Wir sprechen immer von Respekt, Toleranz, Offenheit. Und das sind Werte, die mir in meiner Diskussion extrem gefehlt haben. Da wurden Grenzen überschritten, wo manche auf den Zug aufgesprungen sind, um sich zu profilieren, um die ganze Diskussion für sich selbst zu nutzen. Das verurteile ich absolut."