Jérôme Boateng und das traurige Ende nach jahrelanger Respektlosigkeit

Jérôme Boateng muss die Bayern nach Saisonende verlassen.
Jérôme Boateng muss die Bayern nach Saisonende verlassen. / Alexander Hassenstein/Getty Images
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Die Trennung zwischen dem FC Bayern und Jérôme Boateng ist amtlich. Im Vorfeld der Niederlage gegen Paris Saint-Germain bestätigte Hasan Salihamidzic, dass der Vertrag mit dem Abwehrspieler nicht verlängert wird. Eine Entscheidung, die man nach den gezeigten Leistungen nicht unbedingt nachvollziehen muss. Viel kritischer ist jedoch der Umgang mit einem verdienten Spieler. Allerdings hat man ohnehin schon lange das Gefühl, dass zwischen den Bayern und Boateng etwas gehörig im Argen liegt.


Was Boateng sportlich für die Bayern geleistet hat, ist definitiv gewaltig. In zehn Jahren gewann der 32-Jährige acht Meistertitel und zweimal die Champions League. Dabei stieg er vom "Bruder Leichtfuß" zu einem der besten Verteidiger der Welt auf. Selbst aus seiner Formkrise unter Niko Kovac konnte sich der ehemalige deutsche Nationalspieler wieder befreien.

Natürlich ist klar, dass jede Zusammenarbeit irgendwann ein Ende hat, jedoch geht es dabei um das "Wie". Es kann einfach nicht sein, dass eine derartige Meldung erst über die Presse durchsickert und dann völlig trocken vor dem wichtigsten Spiel der Saison ausgesprochen wird. Die Aussage von Salihamidzic, dass Boateng "durch das große Tor verabschiedet wird", wirkt da ein wenig lächerlich.

Nach dem, was in den letzten Jahren passiert ist, wäre all das aber ohnehin heuchlerisch. Vergleicht man das Ende von Franck Ribery und Arjen Robben bei den Bayern mit dem von Boateng, liegen alleine, was die Kommunikation angeht, Welten dazwischen. Blickt man zurück, so kann man an mehreren Beispielen erkennen, dass Boateng einfach nie ein großes Standing oder die Rückendeckung der Verantwortlichen genoss.

Rummenigge erhitzte mit "Back-to-Earth"-Appell die Gemüter

Das gestörte Verhältnis zwischen dem 32-Jährigen und den Bayern-Bossen wurde erstmals im November 2016 offensichtlich. Mit seinem "Back-to-Earth"-Appell erhitzte Karl-Heinz Rummenigge ordentlich die Gemüter. Es ist schon höchst fragwürdig, ob man über einen verdienten Spieler und Weltmeister derart respektlos in der Öffentlichkeit reden muss. Notwendig war diese Ansage vom Münchner Vorstandsvorsitzenden sicherlich nicht.

Natürlich hat der Abwehrspieler auch selbst seinen Teil dazu beigetragen, dass seine Beliebtheit ordentlich litt. Es gab durchaus Jahre, in denen der Abwehrspieler mehr Wert auf Mode und Partys zu legen schien als auf den Fußball und seinen Verein. Während die Bayern-Bosse andere Profis jedoch mit Samthandschuhen behandelt haben, fuhr man bei Boateng schnell die harte und nachtragende Schiene. Man denke nur an die Skandale um Franck Ribery oder an Breno, der wegen Brandstiftung hinter Gittern landete. Eigentlich rückte die Bayern-Familie bei Problemen immer eng zusammen. Getreu nach dem Motto "Mia san Mia" wurde jedem geholfen, der Hilfe benötigte.

Wenn man an die "Rolex-Affäre" von Rummenigge oder die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß denkt, so erkennt man, dass selbst die Bayern-Bosse weit von unfehlbar weg sind. Dies änderte jedoch nichts dran, dass man Hoeneß nach seiner Haftstrafe sofort wieder als Präsidenten respektierte. Da stellt man sich natürlich schon die Frage, warum offenbar jeder im Verein Fehler machen darf, außer eben Jérôme Boateng.

Hansi Flick als einziger Fürsprecher machtlos

In den letzten Transferperioden stand dieser folglich immer kurz vor dem Abschied. Dabei vergaß man aber völlig, dass der Weltmeister von 2014 einen gültigen Vertrag besitzt. Der unrühmliche Höhepunkt folgte im Jahr 2019, als Hoeneß auf der Meisterfeier erklärte, dass sich der Spieler einen neuen Verein suchen solle. Neben dem mehr als seltsamen Zeitpunkt kann es auch nicht sein, dass man von den Spielern erwartet, dass sie Verträge erfüllen, selbst aber keinen Wert darauf legt.

Es hatte auch nie den Anschein, als gäbe es in München Versuche, Boateng aus seiner Formkrise herauszuholen. Man schien sich ganz damit abgefunden zu haben, dass er nicht mehr die frühere Leistung zeigt und war demnach einfach nur scharf darauf, ihn loszuwerden.

Jerome Boateng, Hans-Dieter Flick
Flick baute Boateng wieder auf / Sebastian Widmann/Getty Images

Dann kam jedoch mit Hansi Flick die Wende. Der neue Cheftrainer vertraute dem heute 32-Jährigen und stellte nach langer Zeit endlich wieder einen Fürsprecher im Verein dar. Allerdings führt er einen Kampf gegen Windmühlen und muss immer wieder für den Abwehrspieler in die Bresche springen. Man denke nur an die jüngste Aussage von Uli Hoeneß, der Boateng nicht mehr im DFB-Team sehen möchte.

"Ich kenne es von Bayern München, dass man seine Spieler immer unterstützt", erklärte Hansi Flick, der damit den Nagel auf dem Kopf traf. Genau diese Unterstützung hat Boateng bei den Bayern aber schon die letzten fünf Jahre nicht erhalten.