Immer Pech ist Unvermögen: Der HSV weigert sich beharrlich, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen

Momentan weit davon entfernt, ein Rückhalt zu sein: Sven Ulreich
Momentan weit davon entfernt, ein Rückhalt zu sein: Sven Ulreich / DeFodi Images/Getty Images
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Der Hamburger SV steht auch nach dem 9. Spieltag der Zweitliga-Saison 2020/21 auf einem Aufstiegsplatz. Das war es dann aber auch schon an guten Neuigkeiten aus Hamburger Sicht. Denn wieder einmal hat es die Mannschaft nicht verstanden, ein für sie in optimalen Bahnen verlaufendes Spiel über die Runden zu bringen.

Und wie in so vielen Spielen der Vergangenheit, sah es danach zunächst überhaupt nicht aus. Der HSV wirkte aggressiver als in den vergangenen Wochen, schien tatsächlich eine Reaktion auf die Krise der letzten Spiele (dreimal sieglos) zeigen zu wollen - und ging folgerichtig durch Kittel nach einer guten Viertelstunde in Führung. Der im ersten Durchschnitt sehr agile Wintzheimer hatte einen öffnenden Pass von Heyer gut verwertet und punktgenau auf den Torschützen gelegt.

Das schwierigste war also erstmal geschafft. Und die Mannschaft ruhte sich in den folgenden Minuten auch erstmal nicht aus (wie es meine Befürchtung war). Statt dessen erhöhte sie nach einem Eckball durch Leistner zehn Minuten später sogar auf 2:0. Wieder hatte Wintzheimer vorgelegt - auch der VAR hatte nach kurzer Überprüfung keinen Zweifel mehr an der Rechtmäßigkeit des Treffers.

Das alte Lied: nach Führung verliert der HSV fast regelmäßig den Faden

Wow, 2:0 in Heidenheim nach nicht mal einer halben Stunde. Sollte das etwa ein Kantersieg der Rothosen werden, mit dem sie sich den ganzen November-Frust von der Seele schießen würden? Nein. Denn es ist ja immer noch eine HSV-Mannschaft. Und die jahres- und kaderübergreifenden Probleme der jüngeren Klub-Historie (mindestens seit Zweitliga-Zeiten) kamen dann tatsächlich auch ganz schnell wieder zum Vorschein.

Diesmal brauchte man noch nicht mal die Spielkontrolle an die Heidenheimer abgeben, denn die wollten die Badener gar nicht haben. Aber es geht ja auch anders. Nämlich indem man einfach mal bei einem Flankenball unkoordiniert versucht, Abseits zu stellen. Was nur drei Minuten nach dem Leistner-Tor dann auch prompt in die Tat umgesetzt wurde. Hätte Kühlwetter (bitte den Namen merken!) nicht getroffen, hätte es einer seiner zwei Kollegen getan, die im Zentrum ebenfalls ziemlich blank standen.

Und mit diesem Gegentor zerfiel die ganze vorherige Souveränität beim HSV in ihre Einzelteile. Plötzlich war kein Zugriff mehr da, plötzlich kamen einfachste Anspiele nicht mehr beim Mitspieler an. Es wurde ein liga-typisches Gewurschtel-Spiel mit vielen Zweikämpfen. Für Heidenheim das ideale Habitat: denn auf dieses Metier verstehen sie sich (wie die meisten anderen Zweitligisten auch) einfach besser als die Hamburger, die gerne mal ihre technische Überlegenheit raushängen lassen - dabei aber meist nur brotloses Zeug produzieren.

Auch beim zweiten Tor der Heidenheimer half die HSV-Defensive kräftig mit. Erneut gelang es nicht, die Abseitsfalle zu stellen, sodass Thomalla und Kühlwetter alleine auf Ulreich zulaufen konnten. Kühlwetter brauchte dann nur noch einzuschieben.

Statt mit 2:0 (oder gar höher) in die Halbzeitpause zu gehen, hatte der HSV, zum x-ten Mal in den vergangenen Jahren, einen eigentlich unterlegenen Gegner wieder ins Spiel geholt.

Zweite Halbzeit wie ein Spiegelbild des Spiels der Vorsaison

Und der ließ sich auch in Halbzeit zwei nicht mehr aus selbigem bringen. Auch weil bei den Hamburgern nun auch die Gedanken sichtbar wurden: bloß keinen Fehler mehr machen. Fast schon gehemmt sahen die Angriffsbemühungen nun aus. In der Folge schlichen sich auch immer mehr Schlampigkeiten in das Spiel, sodass ein paar vielversprechende Offensivansätze gänzlich verpufften.

Richtig klare Torchancen hatten die Hanseaten nur noch in den Schlussminuten. Zunächst scheiterte Terodde mit einer Direktabnahme (85. Minute), dann Moritz Heyer aus aussichtsreicher (weil unbedrängter) Position, zentral und 16 Metern vorm Tor.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meiner Whatsapp-Gruppe schon längst den Fahrplan für den zweiten Durchgang geschickt. Am Ende habe ich mich um knapp zwei Minuten verschätzt: das 3:2 für die Hausherren fiel nicht in der 88. sondern erst in der 90.

Bezeichnenderweise erneut durch einen slaptstickhaften Fehler des HSV. Ulreich bestätigte dabei meine zuletzt gewonnenen Eindrücke, dass er mit dem Fall am Fuß selbst einem Heuer Fernandes nachsteht, und lud Kühlwetter, der seinen Dreierpack schnürte, förmlich zum Toreschießen ein.

Jetzt dürfte es auch für Thioune ungemütlich werden

Zur allgemeinen Krisenstimmung und der in den nächsten Tagen an Fahrt gewinnenden Diskussion über die Liga-Tauglichkeit auch dieses HSV-Kaders gesellt sich nun also auch eine Torwart-Diskussion. Und auch Thioune wird sich einigen Fragen stellen müssen. Man darf gespannt sein, welche Schlüsse er für das Loser-Spiel am nächsten Samstag (da empfangen die Hamburger den Namensvetter aus Hannover) ziehen wird.

Ich habe das für meinen Teil schon jetzt getan: Same procedure as every year. Lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.