Hut ab vor Bayer Leverkusen: Kleiner Kader, großer Ertrag
Von Florian Bajus

Bayer Leverkusen ging gegen den FC Bayern als Verlierer vom Platz und durfte die BayArena dennoch erhobenen Hauptes verlassen. Unter den gegebenen Umständen war die erste Saisonhälfte ein voller Erfolg.
Seit vielen Jahren gehört Bayer Leverkusen zu den besten Vereinen der Bundesliga, allerdings sind Spitzenklubs wie der FC Bayern oder Borussia Dortmund der Werkself stets einen Schritt voraus. So wie in den Jahren 2000, 2002 und 2011, als Leverkusen Vizemeister wurde oder wie 2009 und 2020, als man beide Male das DFB-Pokal-Finale verlor.
Die Rheinländer verfügen über eine talentierte Mannschaft und generieren wichtige Einnahmen über den Verkauf ihrer Leistungsträger. In den vergangenen beiden Sommer-Transferperioden haben mit Julian Brandt, Kai Havertz und Kevin Volland drei Schlüsselspieler ein neues Kapitel in ihrer Karriere aufgeschlagen. Doch statt sich nach unten zu orientieren, mischt die von Peter Bosz trainierte Mannschaft in dieser Saison ganz oben mit.
Trotz schwachem Transfersommer und Verletzungssorgen: Leverkusen wirkt extrem fit
Und das, obwohl der Transfersommer nicht so verlief wie erhofft. Als Ersatz für Volland und Havertz wurde lediglich Patrik Schick verpflichtet, mit Werder Bremen konnte man sich dagegen nicht mehr auf einen Transfer von Milot Rashica einigen. Für die insgesamt sechs Positionen im Mittelfeld, auf den Außenbahnen und im Sturm stehen nominell nur zwölf Spieler zur Verfügung, Verletzungen erschweren die Belastungssteuerung enorm. Jedoch fehlten allein gegen den FC Bayern die Zwillinge Lars und Sven Bender, Rechtsverteidiger Santiago Arias, Charles Aranguiz, Exequiel Palacios und Paulinho.
Schon seit Saisonbeginn hat Leverkusen mit Verletzungssorgen zu kämpfen, Bosz kann seine Leistungsträger nicht so häufig schonen wie erhofft. Trotz alledem wirkt seine Mannschaft wesentlich fitter als Bayern, Borussia Mönchengladbach, RB Leipzig oder Borussia Dortmund. In jedem Spiel wird der Gegner hoch und aggressiv gepresst, weil sich die Mannschaft dank ihrer Ballsicherheit in längeren Ballbesitzphasen erholen und Pressingmomente daher gut dosieren kann. Mit dieser dominanten Spielweise hatten auch die Münchner Bayern ihre Schwierigkeiten, die ersten 30 Minuten gingen klar an die Werkself.
Zahlen einer Spitzenmannschaft
Unterdessen macht Top-Talent Florian Wirtz den Abgang von Havertz nach und nach vergessen. Der 17-Jährige spielt unaufgeregt und souverän, hat nach gerade einmal 27 Pflichtspielen bereits elf Scorer-Punkte auf dem Konto. Und wenn der technisch versierte und körperlich robuste Schick ausfällt, macht Lucas Alario mit dem Toreschießen weiter. Die beiden Stürmer haben allein in der Bundesliga zwölf Tore auf dem Konto.
Boszs Arbeit beginnt in seiner zweiten vollen Saison Früchte zu tragen. Er hat aus Leverkusen eine ballsichere, aktive, variable und dominante Mannschaft geformt, die nach drei Unentschieden zum Bundesliga-Auftakt nahezu alles gewonnen hat. Konkret in Zahlen ausgedrückt: Die Bilanz steht bei 14 Siegen, 4 Unentschieden und 2 Niederlagen in 20 Pflichtspielen, im Schnitt sammelt Leverkusen bei einem Torverhältnis von 56:20 rund 2,3 Punkte pro Spiel.
In Leverkusen wächst etwas heran
Es sind Werte einer Spitzenmannschaft, zu der Leverkusen heranwächst. Mit einem Sieg gegen die Bayern hätte man diese Entwicklung untermauert, allerdings leistete sich die Mannschaft ein paar Fehler zu viel: Im Ballbesitz wurde zu häufig der lange Ball hinter die Kette oder auf die Außenbahn gewählt, statt sich geduldig nach vorne zu spielen und das Pressing der Münchner zu aktivieren. Darüber hinaus gab Jonathan Tah bei beiden Gegentoren eine unglückliche Figur ab.
Doch trotz der knappen Niederlage ist Leverkusen voll im Soll. Der Vorsprung auf die Europa-League-Ränge beträgt sieben Punkte, die Nicht-Europapokalplätze sind sogar zehn Punkte entfernt. Mit einem Winterneuzugang wird die Mannschaft nur noch stärker und hinsichtlich ihrer taktischen Ausrichtung variabler. Nicht ausgeschlossen, dass Bayer 04 bis zum Saisonende um die Schale kämpfen wird.