Star-Berater Struth über "Crashkurs": "Warum es mit dem HSV nie etwas wird"

Volker Struth erinnert sich an seine Zeit als Kühne-Berater
Volker Struth erinnert sich an seine Zeit als Kühne-Berater / Tristar Media/GettyImages
facebooktwitterreddit

Volker Struth gehört zu den einflussreichsten deutschen Spielerberatern. In seinem Buch mit dem bescheidenen Titel "Meine Spielzüge. Aus der Kohlensiedlung zum erfolgreichsten Spielerberater Deutschlands" berichtet der 55-Jährige auch über seine Zusammenarbeit mit HSV-Mäzen Klaus-Michael Kühne.

Zu diesem hatte Struth über Leverkusens langjährigen Manager Reiner Calmund im Jahr 2016 Kontakt aufgenommen. Das erste Treffen fand in der Deutschland-Zentrale des Logistikunternehmens Kühne + Nagel in Hamburg statt.

"Klaus-Michael Kühne ergriff das Wort", heißt es in einem von der Bild vorab veröffentlichten Auszug aus dem Buch. "Er habe dem HSV bereits mehrere millionenschwere Darlehen gewährt, erst vergangenen Sommer habe er die Verpflichtung des schwedischen Mittelfeldspielers Ekdal für vier Millionen Euro finanziert. Und was sei mit der Lusche? Permanent verletzt sei die! (...)"

Struths Reaktion darauf: ein Crash-Kurs für den betagten Fußball-Fan in Sachen Preisniveau im Profi-Fußball.

"Weil Sie den Ekdal erwähnen. Wie viel hat der gekostet, sagten Sie? Vier Millionen. Herr Kühne, das ist viel Geld, damit können Sie einen Flügel der Elbphilharmonie bauen, aber im Fußball kriegen Sie da heute keine gestandenen Klasse-Spieler mehr, sondern eben einen talentierten Spieler, der einen ruhigen, strukturierten Verein braucht, um sein Potenzial eventuell abzurufen. Hängen Sie an die vier Millionen mal eine Null dran, dann können Sie den HSV mit Geld nach oben bringen."

Kühne, offenbar überrascht von den von Struth vorgezeichneten finanziellen Dimensionen seines Engagements, hakte nach: "Sie meinen, ich solle 40 Millionen investieren?"

Auf Struths Entgegnung, dass 50 Millionen "besser wären - und zwar jede Saison, über mindestens drei Jahre", soll Kühne diesen ersten Austausch mit der barschen Ankündigung "Ich werde hier niemals 150 Millionen reinstecken" beendet haben.

Gespräch auf Kühnes Yacht

Doch nur einen Tag später lud Kühne Struth zu einem vertiefenden Gespräch auf seine vor Mallorca liegende Yacht ein.

Dort (auch der damalige Vorstandsvorsitzende und Sportchef in Personalunion, Dietmar Beiersdorfer, war anwesend) soll Kühne dann grundsätzliches Interesse an Struths Diensten signalisiert haben. Die Zusammenarbeit wurde in groben Zügen skizziert.

Dietmar Beiersdorfer
War beim Treffen Struth-Kühne auf dessen Yacht anwesend: Dietmar Beiersdorfer / Boris Streubel/GettyImages

Beiersdorfer sollte garantieren (!), Struth über jeden Wunschspieler des Klubs zu informieren, während Kühne von Struth forderte, sich über jeden dieser Vorschläge seitens des Klubs ein genaues Bild zu machen. "Bringen Sie auch auf jeden Fall eigene Ideen ein!", hieß es.

Dass dies natürlich eine erhebliche, und eigentlich nicht zu akzeptierende, Beschneidung der Kompetenzen Beiersdorfers bedeutete, muss allen Beteiligten damals klar gewesen sein. Doch die Aussicht auf schnelles und einfaches Kapital schien alle zu benebeln.

Wie sehr Beiersdorfer in Augen von Kühne nur noch eine Marionette in Struths Händen war, verdeutlicht auch die folgende Szene, als Kühne mit Struth die finanziellen Rahmenbedingungen der Beratertätigkeit besprechen wollten.

Beiersdorfer wurde wie ein Lakai aus dem Sitzungszimmer geschmissen. "So, Herr Beiersdorfer, und jetzt lassen Sie mich mal bitte eine Viertelstunde mit meinem Berater allein!"

Binnen weniger Augenblicke paktierten Kühne und Struth ein Honorar von 500.000 Euro jährlich.

Kühnes Ignoranz

Im Sommer desselben Jahres verpflichtete der HSV dann für 1,5 Millionen Euro den damaligen Junioren-Nationalspieler Luca Waldschmidt von Eintracht Frankfurt. Und Struth hakte bei Kühne nach: "Wie ist das denn, Herr Kühne, wenn der richtig durchstartet und dem HSV irgendwann 15 Millionen Ablöse einbringt, haben Sie sich da eine Gewinn-Beteiligung zusichern lassen?"

Kühnes Antwort sprach Bände über dessen Ignoranz, was Strukturen und Abläufe im modernen Profi-Fußball betrifft: "Wenn der Waldschmidt so gut wird, dann darf der gar nicht mehr weggehen."

Und fügte noch träumerische Phantasien hinzu, den HSV schließlich ja irgendwann mal wieder gegen Real Madrid spielen sehen zu wollen.

FBL-BER-BUNDESLIGA-HAMBURG-LEIPZIG
Spielte zwei Jahre für den HSV: Luca Waldschmidt / AFP Contributor/GettyImages

Struth bezeichnet Kühne in seinem Buch mehr als Fan, denn als kühl kalkulierenden Investor. Kühnes Engagement für den Klub sei "reines Mäzenatentum" gewesen. So soll Kühne, Struths Informationen zufolge, nach Waldschmidts Verkauf an den SC Freiburg (für fünf Millionen Euro) auch lediglich die 1,3 Millionen Euro zurückerhalten haben, die er seinerzeit für den Transfer ausgelegt hatte.

Wie sehr beim HSV in dieser unheilvollen Dreierkonstellation um Kühne, Struth und Beiersdorfer mehr gegen- als miteinander gearbeitet wurde, veranschaulicht eine weitere Transfer-Posse. Es ging diesmal um den französischen Mittelfeldabräumer Moussa Sissoko, der damals beim Premier-League-Klub Newcastle United unter Vertrag stand.

Struth hatte erfahren, dass Sissoko auf dem Markt sei. Und schlug den Spieler dem Klub vor. "Aber Labbadia wollte ihn nicht. Labbadia, so kam es mir vor, wollte aus Prinzip keinen Spieler mehr, den ich vorschlug. Er machte ständig Gegenvorschläge. Wieder gab es eine Telefonkonferenz."

In der Kühne wieder laut wurde - und Beiersdorfer anfauchte, doch endlich "diesen Yohoko" zu holen. Doch der Sportchef berief sich auf die Ablehnung seitens des Trainers - und Struth konnte nicht anders, als Beiersdorfer beizupflichten. Denn: "Ein Spieler, den der Trainer nicht will, wird fast sicher zum Flop."

Sissoko kam am Ende nicht zum HSV, sondern wechselte für 35 Millionen Euro zu Tottenham Hotspur.

Moussa Sissoko
Statt zum HSV ging es für ihn 2016 zu den Spurs: Moussa Sissoko / Tony Marshall/GettyImages

"So wurde", heißt es im Buch weiter, "gestritten, gefeilscht, gehakelt – in einem Führungsteam, das eigentlich blind zusammenarbeiten sollte. 33 Millionen Euro allein für Ablösezahlungen investierte der HSV mit Kühnes Hilfe schließlich im Sommer 2016 in neue Kräfte."

Doch Struth erkannte damals schon: "(...) Trotz faszinierender einzelner Zukäufe fehlte das Wichtigste: eine stringente Linie. Kriegte der Trainer seinen einen Wunschspieler, durfte der Sportvorstand dafür seinen kaufen. Ich hatte einen wunderbaren Crashkurs erhalten zum Thema: Warum es mit dem HSV nie etwas wird."

Struth erkennt den Fehler

Viele Köchen verderben den Brei. Den der HSV übrigens bis heute auslöffeln muss. Doch zurück zu Struth. Der erkannte irgendwann, dass diese Allianz mit dem einstigen Vorzeigeklub nun auch sein eigenes Renommee auf Dauer beschädigen würde.

"Mein Engagement als Mäzen-Berater in Hamburg war grundsätzlich ein großer Fehler. Die Frage war nur, wie ich da wieder rauskam."

Dafür musste abermals Rainer Calmund helfend zur Seite springen. "Mitte November rief ich Calli an.'Pass auf, Calli, du hast mir das eingebrockt. Du hilfst mir, da wieder rauszukommen. Du rufst jetzt den Kühne an und sagst ihm, ich müsste den Berater-Job leider aufgeben, die Arbeit sei in der Branche nicht mehr vermittelbar.' "

"Es war ein Freitag, als Calli zurückrief. Er habe Kühne vorgewarnt. Okay, dann würde ich nächste Woche das persönliche Gespräch suchen. Am Montagmorgen hatte ich eine E-Mail von Herrn Kühne im elektronischen Postfach."

In der Kühne heftig gegen Struth austeilte, ihn beschimpfte und ihm vorwarf, ihn nun im Stich zu lassen.

"Ich verzichtete auf das verabredete Honorar, ich wollte auch keinen Anteil der 500 000 Euro haben. Ich wollte meinen Seelenfrieden zurück."