Hertha-Krise 2.0: Dardai bietet Rücktritt an - Wie bedrohlich ist die Lage?

Pal Dardai muss die Kohlen aus dem Feuer holen
Pal Dardai muss die Kohlen aus dem Feuer holen / Maja Hitij/Getty Images
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Erneut stagniert Hertha BSC im Tabellen-Keller der Bundesliga, trotz der riesigen Investitionen in den letzten Jahren. Trainer Pal Dardai bietet bereits seinen Rücktritt an, doch kann das Berliner Urgestein wohl eher wenig für die neuerliche Krise.


"Ich hänge nicht an meinem Sitz! Ich helfe aus. Wahrscheinlich sucht Hertha seit langem einen großen Trainer, Pal ist ein kleiner Trainer. Ich gehe dann auch sofort zur U16 zurück. Ich will keine Last sein", stellte Pal Dardai nach der jüngsten 0:5-Niederlage gegen den FC Bayern klar (via Bild).

Nach den ersten drei Spieltagen der laufenden Saison grüßt Hertha BSC mit null Punkten und einem Torverhältnis von 2:10 vom letzten Tabellenplatz der Bundesliga - also noch hinter Mannschaften wie Fürth, Bielefeld oder auch Union stehend.

Dabei hatte man in der Hauptstadt vor, einen Mitbewerber um das internationale Geschäft zu formen. Die mehreren hundert Millionen Euro von Investor Windhorst und dessen Holding sollten die Stagnation der vergangenen Dekade vergessen machen, alte Zöpfe wie Ex-Manager Michael Preetz wurden abgeschnitten - ein Neuaufbau wurde proklamiert.

Allerdings versuchte man diesen Reboot auf Hertha 2.0 nicht nur mit fragwürdigen Entscheidungen in der Kader-Zusammenstellung zu erreichen. Vielmehr zeigen die Aussagen des Urgesteins Dardai, dass die Berliner weiterhin in einer Traumwelt zu leben scheinen - und damit sind nicht nur die Fans gemeint.

Dardai weiß um seine Rolle - Investor mit Druck und zu großem Einfluss?

"Ich will nicht Trainer von irgendwelchen Bundesliga-Vereinen werden, ich brauche keinen Hubschrauber, ich lebe sehr schön in Berlin. Wenn das für die Fans alles nicht schön ist - dann ist Pal weg! Das ist nicht schlimm. Wenn einer die Realität nicht versteht, dann haben wir Probleme. Und die Realität und die Wünsche sind so weit weg bei Hertha BSC. Das ist nicht okay", richtete sich Dardai in erster Linie an die eigenen Anhänger, die angeblich von Königsklasse und Trophäen träumen.

Doch Dardai weiß genau um seine Rolle. Die Hertha wolle einen "großen Trainer", er selbst "brauche keinen Hubschrauber" - der stark mit dem Verein verbundene Dardai wurde erneut installiert, weil es an kreativen Alternativen mangelte.

Die Windhorst-Millionen spiegeln sich auch in diesem Jahr bislang nicht in sportlichem Erfolg wieder, Dardai ist hier jedoch quasi als letztem Beteiligten eine Schuld zuzuweisen.

Denn wer sich auf große Namen wie Boateng, Jovetic oder zuletzt auch Khedira verlässt und dann überrascht scheint, wenn diese in die Jahre gekommenen ehemaligen Werbeflächen verletzt oder formschwach auftreten, der kann auch Guardiola und Klopp zeitgleich an der Linie stehen haben.

Alternde Zugpferde für den Traum des großen Glanzes verpflichten, aber auf der anderen Seite Talente wie Luca Netz ziehen lassen - Big City in Reinkultur. Fraglich ist, inwiefern Dardai diese Methodik befeuert oder ob der sympathische Trainer überhaupt in diese Prozesse einbezogen wird.

Investor Windhorst scheint zumindest ein Mitspracherecht zu besitzen, wenn es um die Ausrichtung des Klubs geht. Per Twitter ließ der Gönner zuletzt auch in Richtung des Sportdirektors Arne Friedrich wissen, dass er langsam Ergebnisse sehen will.

Ironischerweise meldete sich mit Jürgen Klinsmann auch ein Hauptverantwortlicher der grauenhaften Außendarstellung der Herthaner in den letzten Jahren unlängst zu Wort. Die Hertha könne "in die 2. Bundesliga absteigen", sollte man nicht noch Spieler verpflichten, "die Tore schießen können", simplifizierte Klinsmann gegenüber ESPN (via Welt).

So wie die Spieler auf dem Platz fühlt sich scheinbar auch kein Verantwortlicher für irgendetwas zuständig oder übernimmt die Verantwortung.

Ein Trainer, der kein Problem mit der Rückkehr in das zweite Glied hat, soll abgehalfterte Aushängeschilder zu einer Einheit formen. Ein neuer Sport-Vorstand Fredi Bobic, der in Frankfurt verbrannte Erde hinterließ, soll die Windhorst-Millionen nun verwalten. Ein Sportdirektor Arne Friedrich, der bislang eher als vermittelndes Korrektiv zwischen Klub, Fans und Investor auftritt, soll zeitgleich seine Kernkompetenz - also die Zusammenstellung der Mannschaft - nicht vernachlässigen.

Der Investor will Erträge, der Sport-Vorstand und der Sportdirektor wollen sich selbst "zum Wohle des Klubs" keine Vorwürfe machen lassen und der Trainer will im Prinzip einfach seine Ruhe.

An einem Strang scheint bei der Hertha jeder für sich zu ziehen. "Bei uns war von der ersten Minute an jeder mit sich beschäftigt", erkannte Dardai die Probleme im Spiel gegen den FC Bayern und meinte damit die eigene Mannschaft (via kicker). Diese Aussage kann jedoch auch auf die Verantwortlichen bezogen werden.

Und über allen Dingen schwebt der Traum von der europäischen Marke Hertha BSC - momentan ist jedoch eher von einem Albtraum-Szenarium auszugehen.