Gabigol und der BVB? Ein ultra-riskanter Versuch - der sich lohnen könnte!
Von Simon Zimmermann
Ende August 2016 verpflichtete Inter Mailand ein brasilianisches Sturmjuwel. Einen U17-Weltmeister, einen Olympiasieger. Knapp 30 Millionen Euro legte die Nerazzurri auf den Tisch, um jenen Mittelstürmer - just am Tag des Transfers 20 Jahre alt geworden - vom FC Santos nach Mailand zu lotsen.
Erfüllt haben sich die großen Hoffnungen jedoch nie. Für den Hochgepriesenen ging nach einem enttäuschenden Jahr per Leihe weiter zu Benfica, später zurück zum FC Santos und schließlich zu Flamengo nach Rio de Janeiro.
Die Rede ist von Gabriel Barbosa - oder Gabigol, wie der fünffache brasilianische Nationalspieler in seiner Heimat genannt wird. Der Sprung nach Europa ist für das Stürmer-Juwel krachend gescheitert. Zurück am Zuckerhut zeigt Barbosa wieder, warum die Hoffnungen der Brasilianer in ihn so groß waren. Und wieder sind. Für die Flamengo-Fans ist Gabigol zum Idol aufgestiegen.
Gabriel Barbosa für Inter Mailand:
- 10 Pflichtspiele
- 1 Tor
- 0 Assists
Denn mit dem Klub aus Rio räumt Gabigol mächtig ab, ist der Superstar des Teams. Der Marktwert des mittlerweile 24-Jährigen beträgt geschätzte 20 Millionen Euro. Sein Vertrag für Flamengo ist noch bis 2024 gültig. Rund 17,5 Millionen Euro zahlte Flamengo, um ihn fest zu verpflichten. Die höchste Ablöse, die je ein brasilianischer Klub auf den Tisch gelegt hat!
Der Makel, es in Europa nicht geschafft zu haben, haftet aber weiter auf Gabigol. Sein letztes Länderspiel datiert aus dem Jahr 2016. Immerhin stand er Ende 2019 mal wieder im Kader der Selecao, blieb aber ohne Einsatz.
Gabriel Barbosa für Flamengo:
- 83 Pflichtspiele
- 56 Tore
- 17 Assists
Gabigol sorgt für Ärger
Bei seinen Leistungen für Flamengo - und der im Gegensatz zur Vergangenheit nicht mehr üppigen Auswahl an Weltklasse-Knipsern vom Zuckerhut -, muss man sich fragen: warum ist das so? Eine Antwort ist sicherlich der etwas streitbare Charakter des Stürmers. Zuletzt wurde Gabigol von der Polizei abgeführt, weil er sich in einer Spielhalle aufhielt. Glücksspiel ist in Brasilien verboten. Dabei wurde dort auch noch eine Party abgehalten. Im Corona-gebeutelten Brasilien natürlich ebenfalls verboten.
"Es gab einen Mangel an Sensibilität meinerseits. Ich entschuldige mich bei den Flamengo-Fans, bei allen Kindern in Brasilien, die mich mögen, bei den Menschen in Sao Paulo, weil ich im Unrecht war", erklärte Barbose gegenüber Globoesporte. "Ich habe einen Fehler gemacht, ich entschuldige mich. Ich bin sehr jung und ich weiß, dass ich Fehler machen werde. Ich muss lernen", gab er sich reumütig.
Gabigol in Europa Part 2.0? Ein zweiter Versuch wäre es wert!
Ärger mit den Behörden, polarisierendes Verhalten und pinke Haare hin oder her: Ein Stürmer wie Gabigol sollte sich in Europa mit den Allerbesten der Welt messen. Und welche Liga wäre da besser geeignet als die deutsche Bundesliga? Wo brasilianische Star-Stürmer Tradition besitzen und es den ein oder anderen Klub gibt, der im Verruf steht, Fußballer-Versprechen wahr werden zu lassen.
Richtig, konkret geht es um den BVB. Die Dortmunder Borussia wird nicht mehr lange auf Erling Haaland setzen können. So viel ist sicher! Egal ob der Norweger diesen Sommer oder im Sommer drauf wechseln wird.
Mit 100 Millionen Euro Transfererlös oder mehr kann man bei Schwarz-Gelb dann rechnen. Einen Teil muss man in eine neue Nummer neun investieren. Super-Talent Youssoufa Moukoko ist längst nicht so weit, um direkt übernehmen zu können.
Jetzt also die hypothetische Gabigol-Rechnung: Der BVB verkauft Haaland, will einen neuen Mittelstürmer und blickt dabei nach Rio. Dort, wo Barbosas Vertrag noch bis 2024 läuft. In Ablöse würde das wohl rund 30 bis 40 Millionen Euro bedeuten, die Schwarz-Gelb für den Linksfuß hinblättern müsste. Bleibt Haaland noch ein Jahr und Gabigol besitzt nur noch zwei Jahre Rest-Vertragslaufzeit, könnte es auch etwas weniger werden. Unter Zugzwang ist Flamengo jedenfalls nicht. Der Klub steht finanziell gut dar und würde wohl nur bei einem sehr guten Angebot über einen Verkauf nachdenken.
Was für Gabigol beim BVB spricht
Argumente für den Brasilianer im BVB-Trikot gibt es in jedem Fall. Der 24-Jährige ist technisch stark, hat einen sehr guten Abschluss und eine gute Geschwindigkeit. Im Prinzip das volle Paket, das man von einem brasilianischen Topstürmer erwartet.
Wir haben bei unseren Kollegen von 90min Brasilien mal genauer gefragt. Redakteur Rodrigo Salomão bestätigt unsere Einschätzung: "Gabigol besitzt einen tollen Abschluss, hat gute Bewegungen drauf, auch wenn er kein klassischer Dribbler ist und ist sehr intelligent", zählt er die Stärken des Angreifers auf. Seine Schwächen? "Sein Egoismus! Auswechslungen akzeptiert er in der Regel nicht wirklich. Dazu die Querelen außerhalb des Platzes", meint Rodrigo Salomão.
Doch eine Prise Egoismus hat einem Torjäger ja noch nie geschadet. Zudem dürfte er noch einiges an Entwicklungspotenzial besitzen. In Dortmund, wo er dann die Nummer eins im Sturmzentrum wäre, könnte er dieses entfalten. Schließlich weiß man beim BVB, wie man mit Talenten umzugehen hat, schenkt ihnen das Vertrauen und erntet häufig den Ertrag. Bei Barbosa wäre der mögliche Ertrag enorm hoch! Man könnte ihm durchaus zutrauen, im zweiten Anlauf eine ganz große Nummer in Europa zu werden.
Einreihen würde er sich in Dortmund in eine prominente Reihe: Amoroso, Lewandowski, Aubameyang, Haaland - Gabigol?
Was gegen Gabigol spricht
Der größte Punkt, der gegen einen Transfer-Versuch spricht, ist das Risiko. Gabigol hat es im ersten Anlauf in Europa nicht geschafft, sein Potenzial abzurufen. Mittlerweile ist er 24 Jahre alt - und eine schillernde Figur, die Unruhe in den Klub bringen kann.
Bei der Ablöse müsste der BVB tief in die Tasche greifen, ohne jedwede Garantie, bei einem Scheitern des Brasilianers auch nur annähernd einen ebenso hohen Erlös zurückzubekommen. Kauft man ihn für rund 30 bis 40 Millionen Euro und das "Experiment" schlägt fehl, gäbe es nur noch in Brasilien einen Markt für den Angreifer. Die Klubs dort sind aber finanziell weitaus weniger stark. Mit mehr als 15 Millionen Euro kann und darf man im Falle eines nötigen Verkaufs nicht rechnen.
Es gibt aber noch andere Faktoren, die gegen den Brasilianer sprechen: Optionen, die der BVB außer Gabigol noch hat, um Haaland zu ersetzen. Aus der Bundesliga springen André Silva und Wout Weghorst ins Auge. Oder auch ein Nicolás González vom VfB Stuttgart. Alle drei wären Bundesliga-erprobt und zumindest nicht teuerer als Gabigol. Bei allen drei Stürmern ist die Konkurrenz aber auch hoch. Nicht auszuschließen, dass der BVB bei allen leer ausgehen würde.
Fazit
Gabigol = hohes Risiko + hohe Chancen
Ganz einfach: Die zu erwartende Spannweite bei Gabigol wäre extrem weit. Der Brasilianer könnte total floppen - oder total durch die Decke gehen. Das Chancen-Risiko-Verhältnis ist extrem.
Sind die BVB-Bosse mutig, könnte man den Brasilianer aber durchaus ins Auge fassen. Erst recht, wenn mit Haaland mehr als 100 Millionen Euro Einnahmen herausspringen. Die Einschätzung aus Brasilien ist jedenfalls klar: "Ich denke, Gabigol wäre für den BVB das Risiko wert. Zudem wäre er für europäische Verhältnisse wohl nicht all zu teuer. In der Öffentlichkeit spricht er nicht über seinen Wunsch, zurück nach Europa zu gehen. Das liegt aber vor allem an den Flamengo-Fans, für die er ein Idol ist. Dass er den (heimlichen) Wunsch hegt, es in Europa allen zu beweisen, kann man durchaus annehmen", meint unser Kollege aus Brasilien.
Den Fußballfans in Europa würde Schwarz-Gelb mit Sicherheit einen Gefallen tun. Vamos, BVB! Trau dich!