Fiete Arp über seine Achterbahn-Karriere: "Man kann sich auch mit sehr viel Geld alleine fühlen"
Von Simon Zimmermann
Fiete Arp hat bei Holstein Kiel eine neue sportliche Heimat gefunden. Nach zwei turbulenten Jahren in München "ein Sechser im Lotto" für den 21-Jährigen. Jetzt hat Arp über seinen Wechsel vom HSV zum FC Bayern und die schwere Zeit beim Rekordmeister gesprochen - und dabei tief in sein Seelenleben blicken lassen.
Mit seinen 21 Jahren hat Fiete Arp in seiner Fußballer Laufbahn schon viel mitgemacht. Das Eigengewächs des Hamburger SV schaffte schon früh den Sprung zu den Profis. Nachdem er als Kapitän bei der U17-WM die DFB-Junioren anführte, waren die Hoffnungen, die auf den Schultern des Angreifers lagen, riesengroß.
In Hamburg wurde er als neuer Heilsbringer gefeiert, in der Bundesliga legte er einen Raketenstart hin. Doch der Glanz wich schnell Ernüchterung. Mit dem HSV ging es erstmals in der Vereinsgeschichte runter ins Unterhaus. Dort lief es auf einmal überhaupt nicht mehr.
Arp über Bayern-Wechsel: "Hätte für den HSV den FC Bayern ausgeschlagen"
In der nach Mittelstürmern lechzenden Fußball-Nation Deutschland blieb die Hoffnung, dass Fiete Arp über kurz oder lang die Probleme lösen kann. Der FC Bayern zahlte drei Millionen Euro Ablöse, um sich das wohl größte Sturmjuwel Deutschlands zu sichern.
Und das, obwohl der HSV-Fan eigentlich gar nicht wirklich von seinem Jugendklub weg wollte. "Ein Berater erzählte mir erst nach Monaten vom Münchner Interesse. Und ich wollte zu dem Zeitpunkt nicht unbedingt nach München wechseln. Die Bayern haben aber nicht lockergelassen. Zeitgleich ging es mit dem HSV immer tiefer rein in den Keller, ich spielte unter dem neuen Trainer Bernd Hollerbach keine Rolle mehr, obendrein wurde mir vom HSV zugetragen, dass ein Verkauf von mir ja auch das eine oder andere finanzielle Loch füllen würde", erzählte er im Interview mit 11Freunde.
"Ich hätte für den HSV den FC Bayern ausgeschlagen. Aber nach meinem Gefühl kamen vom HSV nicht mehr die richtigen Signale."
- Arp, via 11Freunde
Am Ende folgte er den Lockrufen des FCB. Im Münchner Star-Ensemble lief es zunächst auch gut. Auf der USA-Tour konnte Arp in der Vorbereitung gleich auf sich aufmerksam machen. Die vielen Unkerufe, der Schritt zum FCB sei eine Nummer zu groß, wurden leiser.
Doch lange hielt der Aufwärtstrend nicht an. Zum ersten Pflichtspiel der Saison, im Pokal gegen Energie Cottbus, schaffte es Arp nicht mal in den Kader. "Ein Tiefschlag", wie er im Gespräch mit 11Freunde erklärte.
Und es wurde nicht besser: Insgesamt stehen in seiner Bayern-Karriere 13 mickrige Einsatzminuten in einem Pflichtspiel zu Buche. Am 10. Oktober 2020 durfte er im DFB-Pokal gegen die Amateure des FC Düren kurz ran. "Ich hatte kein Selbstvertrauen, keine Spielpraxis, keine Kontinuität, war mental nicht stark genug. Mich hat es dann irgendwann zerdrückt", so Arp über seine Zeit beim Rekordmeister.
Arp musste mit Einsätzen für die Bayern Amateure Vorlieb nehmen. 42 Mal spielte er für den FCB II in der 3. Liga (acht Tore, drei Vorlagen). Im ersten Jahr wurde er Drittliga-Meister, im zweiten Jahr folgte der Abstieg. Irgendwie passend zur bisherigen Laufbahn des Fiete Arp!
"In der Zweiten musste ich beweisen, dass ich nicht der arrogante Profi bin, in der Ersten musste ich zeigen, dass ich nicht der Typ bin, der am Wochenende die Kicker-Note Fünf gegen Halle bekommen hatte."
- Arp, via 11Freunde
Im ersten Jahr stand Arp dabei quasi zwischen den Stühlen. Oder besser gesagt: zwischen den Teams. Richtig zugehörig war er weder bei den Profis, noch in der zweiten Mannschaft. "Das war keine einfache Zeit. Immer erst am Abend entschied sich, ob ich am nächsten Tag mit der ersten oder der zweiten Mannschaft trainieren würde. Ich musste mein Zeug jeden Tag mit nach Hause nehmen, weil ich keine eigene Kabine hatte", erzählte Arp.
In der zweiten Saison wollte er einen festen Platz haben. Er entschloss sich dazu, fest für die Bayern Amateure aufzulaufen.
"Ich bin im letzten Jahr freiwillig zu den Amateuren vom FC Bayern in die 3. Liga gegangen. Da habe ich fünf Saisontore geschossen und wir sind abgestiegen. Nicht die besten Bewerbungsunterlagen, oder?"
- Arp, via 11Freunde
Arp mit Neustart in Kiel: "Ein Sechser im Lotto!"
Nach dem zweiten Bayern-Jahr folgte der Abschied aus München - zumindest vorerst. Arp wurde zum Zweitligisten Holstein Kiel verliehen. Beim FC Bayern ist sein hoch dotierter Vertrag noch bis 2024 gültig. Dass er wieder an der Säbener Straße aufkreuzt, ist aber unwahrscheinlich.
"Ganz ehrlich: Nichts gegen die Stadt oder den Verein, aber ich habe mich schon in Meppen gesehen. Kiel ist nicht meine Rettung, sondern ein Sechser im Lotto!"
- Arp, via 11Freunde
Arp fühlt sich im hohen Norden wohl, kommt regelmäßig zum Einsatz. Auch wenn er kein absoluter Stammspieler ist (sechsmal Startelf, achtmal eingewechselt). Es ist der benötigte Schritt zurück, um aus der Sackgasse FC Bayern wieder herauszukommen.
Vom einstigen Hoffnungsträger ist nicht mehr viel übrig geblieben. Arps Karriere hat jetzt schon sehr viel (mentale) Kraft gekostet. Zu erwarten, dass er die einstigen Hoffnungen doch noch erfüllt, ist eher nicht. Vielmehr ist er mittlerweile ein ganz normaler Fußballprofi in der 2. deutschen Liga. Und mehr will Arp derzeit auch gar nicht sein.
Oder wie er es selbst formuliert: "Wenn ich mir meine Karriere mal vorrechne, geht das so: Vier Spielzeiten, zweimal abgestiegen, einmal Meister, zig Trainerwechsel. Kann ich nicht einfach mal ein normales Jahr spielen? Mit zehn, zwölf Scorerpunkten und am Ende ein solider Platz im oberen Drittel?“