Geschichte wiederholt sich: Bayern-Fans haben nach Neuer und Robben ein neues Feindbild gefunden

FC Bayern Munich v SSC Napoli - Pre-Season Match
FC Bayern Munich v SSC Napoli - Pre-Season Match / Leonhard Simon/Getty Images
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Leroy Sané wird sein erstes Pflicht-Heimspiel mit Zuschauen in der Allianz Arena definitiv in keiner guten Erinnerung behalten. Der Offensivstar lieferte über 45 Minuten eine eher unglückliche Performance ab und wurde zur Halbzeit ausgewechselt. Mindestens genauso schwach war jedoch die Leistung der Bayern-Fans, die den Spieler nach misslungenen Aktionen mit Pfiffen belagerten und seine Auswechslung beklatschten.


Leroy Sané hat derzeit definitiv keinen leichten Stand bei den Bayern. Während die Kritik in der vergangenen Saison immer mehr zunahm und der Spieler eine schwache EM lieferte, läuft es weiterhin gar nicht rund für den Münchner Hoffnungsträger.

Die Münchner Anhänger scheinen schon jetzt mit ihrer Geduld am Ende zu sein. Erschwerend ist mit Sicherheit die Tatsache, dass Sané einer der teuersten Transfers der Vereinsgeschichte war, ein immenses Gehalt verdient und im Vorjahr immer wieder lethargisch wirkte.

Ohne Form und Selbstvertrauen: Sané benötigt den Support der Bayern-Fans

Allerdings sollte den Bayern-Fans auch bewusst sein, dass auspfeifen gerade das Letzte ist, was Leroy Sané wieder in die Spur bringen kann. Die Formkrise des Spielers ist schließlich nicht seiner fehlenden Motivation und Hingabe geschuldet. Im Gegenteil: Der Bayern-Akteur läuft viel, arbeitet mit vollem Engagement nach hinten und bemüht sich redlich, dem Team zu helfen. Dies gelingt ihm jedoch nicht, da sein Selbstvertrauen im Keller ist und alles, was er anpackt, irgendwie unglücklich wirkt.

Genau in einer solche Phase bräuchte der Spieler eigentlich Fans, die ihn unterstützen und Vertrauen entgegenbringen. Mit Pfiffen verunsichern die Anhänger den Spieler umso mehr und erschweren ihm den Weg, bei den Bayern zu alter Stärke zurückzufinden.

Bedenklich ist all das schon, da die Bayern-Fans eigentlich das gleiche Interesse und Ziel verfolgen, wie der Spieler selbst. Ein wenig mehr "Mia-san-mia-Mentalität", mit der sich der Verein gerne schmückt, wäre durchaus angebracht.

Neuer und Robben erlebten ebenfalls die Ablehnung der Bayern-Fans

Manuel Neuer
Manuel Neuer war bei den Bayern nicht immer der umjubelte Held / Catherine Ivill/Getty Images

Leider ist es aber nicht das erste Mal, dass die Bayern-Fans Negativ-Stimmung gegenüber einem eigenen Spieler erzeugen. Man erinnere sich nur an Manuel Neuer, der mit gehässigen und ablehnenden Plakaten empfangen wurde. Heute würde sich selbstredend kein Anhänger mehr mit einem "Koan Neuer"-Plakat in der Arena blicken lassen.

Dies liegt aber einzig an der Tatsache, dass sich der Bayern-Kapitän mit seinen Leistungen für den Verein in die Gunst der Fans gespielt hat. Dies zeigt aber auch die kranke Welt, in der einige Fans leben. Spielt ein Akteur gut, wird er gefeiert, tut er das hingegen nicht, kann man nach Belieben weiter draufhauen.

Dabei wird aber häufig die Tatsache vergessen, dass es sich in erster Linie immer noch um Menschen handelt und genau diese werden mit Pfiffen und sonstigen Wut-Aktionen getroffen. Auf der anderen Seite wird der gleiche Mensch plötzlich wieder gefeiert, wenn es für ihn gut läuft und er wichtige Tore erzielt. Fraglich ist jedoch, ob wirklich der Akteur selbst gefeiert wird oder vielmehr das, was er gerade leistet, die Person dahinter aber völlig egal ist.

"From Zero to Hero": Arjen Robben hat bei den Bayern alle Höhen und Tiefen erlebt

Arjen Robben
Arjen Robben erlebte im Bayern Trikot auch dunkle Stunden / VI-Images/Getty Images

Den schmalen Grat zwischen Wut, Hass und Lobpreisung hat wohl kein Bayern-Star intensiver erlebt als Arjen Robben. Nachdem der Niederländer durch seine entscheidenden Fehlschüsse in der Bundesliga gegen Dortmund und in der Champions League gegen den FC Chelsea noch im Jahr 2012 das Fan-Feindbild Nummer eins war, wurde er nur ein Jahr später zum gefeierten Helden. Dazwischen lagen gerade mal zwölf Monate, wichtige Tore und der lang ersehnte Champions-League-Titel.

Allerdings bekräftigte Robben auch Jahre später noch, dass er das Verhalten einiger Fans noch nicht vergessen habe, als er sich 2012 am emotionalen Tiefpunkt seiner Laufbahn befand. Eigentlich hätte es dem Niederländer keiner übel nehmen können, wenn er den Verein zu diesem Zeitpunkt verlassen hätte.

Die Triple-Saison 2013 hätte dann aber womöglich gar nicht existiert. Hierbei zeigt sich ganz gut, welchen Einfluss einige idiotische Anhänger auf einen Spieler und letztlich den ganzen Verein haben können.

Rummenigge erkennt Parallelen zwischen Robben und Sané: "Erinnerte mich an todtraurigen Robben"

Knapp ein Jahrzehnt später ist Leroy Sané auf dem "besten Wege" zum neuen Buhmann der Bayern-Anhänger zu werden. Karl-Heinz Rummenigge sind die erschreckenden Parallelen zu Robben auch schon aufgefallen.

"Ich erinnerte mich an 2012 im Stadion, nach dem berühmten Champions-League-Finale zu Hause. Es erinnerte mich an den todtraurigen Arjen Robben. Er hat im Finale einen Elfmeter verschossen, und einen wichtigen Elfmeter gegen Dortmund und wurde von den Fans ausgebuht", erklärte er gegenüber Bild TV.

Der 65-Jährige bestätigte auch, dass das Fehlverhalten der Fans beinahe schwerwiegende Konsequenzen gehabt hätte.

"Arjen war fast so weit, darum zu bitten, zu gehen. Aber wir haben gesagt: 'Nein, das werden wir nicht tun'. Er war ein wichtiger Spieler für den FC Bayern. Wir haben ihn unterstützt und auch Jupp Heynckes hat ihn unterstützt", erinnert er sich.

Sané erhält Support von Trainer, Bossen und Mitspielern

Der FC Bayern kennt Situationen, in denen sich die Fans gegen einen Spieler aussprechen demzufolge bestens. Nicht verwunderlich ist daher auch die Tatsache, dass sich der Verein geschlossen hinter den Spieler stellt und die Fans kritisiert. Neben Trainer Julian Nagelsmann, Sportvorstand Hasan Salihamidžić und Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn haben sich inzwischen auch Spieler zu den unschönen Szenen geäußert.

„Was gestern passiert ist, fand ich sehr bitter. Dass so etwas dann im ersten Spiel mit Fans passiert, finde ich nicht gerechtfertigt", klagte Kimmich im Pressetalk.

"Das wollen wir nicht, das ist nicht schön. Ich erwarte mehr Unterstützung für uns Spieler von den Fans. Unterstützung ist immer der richtige Weg", forderte Thomas Müller im Gespräch mit Sport1.

Der 32-Jährige nahm allerdings auch Sané in die Pflicht. "Man muss damit bis zu einem gewissen Grad umgehen können. Wir Fußballer stehen hier im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Es wird viel von uns erwartet, und wir werden gefeiert, wenn es gut läuft. Deshalb müssen beide Seiten gut damit umgehen können", findet der Bayern-Stürmer.

Thomas Mueller, Leroy Sane
Alexander Hassenstein/Getty Images

Damit hat Müller sicherlich absolut recht. Ein Spieler muss sicherlich auch nicht gefeiert werden, wenn er keine Leistung bringt. Allerdings geht es eben auch darum, den "Grad" nicht zu überschreiten. Das wurde bei Neuer und Robben damals zweifelsfrei gemacht, was bereits Warnung genug sein sollte. Demnach ist es richtig und wichtig, dass sich die Bayern schon jetzt klar positionieren.

Schließlich wurde Sané auch in der vergangenen Saison beispielsweise nach dem Aus gegen Paris zum Sündenbock gemacht, wenngleich er sicherlich nicht der Alleinschuldige am Scheitern der Bayern war.

Pfiffe verfrüht und fehl am Platz: Bayern-Anhänger sollten sich selbst hinterfragen

Die Pfiffe am Sonntag lagen auch sicher nicht nur am schwachen Sané-Auftritt gegen die Kölner allein, sondern entstanden aus den Eindrücken der letzten Monate. Allerdings sollte auch der 25-Jährige in der neuen Saison eine Chance erhalten und nicht nach wenigen Minuten in Ungnade fallen. Alleine vom Zeitpunkt waren die Pfiffe also absolut fehl am Platz, wenngleich sie das insbesondere gegen das eigene Team eigentlich immer sind.

Letztlich müssen sich auch einige Bayern-Anhänger fragen, ob ihre eigene Leistung in puncto Fan-Support überhaupt besser ist. Jedenfalls gehört die Allianz Arena traditionell nicht zu den lautesten und stimmungsvollsten Stadien. Hier geht es folglich auch darum, sich an die eigene Nase zu fassen, bevor man die Leistung anderer schlecht macht. Der zum Teil schlechte Ruf der Bayern-Fans kommt schließlich auch nicht von irgendwo her.