Marodes Nou Camp: Spielte der FC Barcelona leichtfertig mit dem Leben seiner Fans?
Von Guido Müller
Es vergeht fast keine Woche, in der nicht irgendwelche gravierenden Fehler oder Versäumnisse der früheren Vereinsführung des FC Barcelona ans Licht kommen. Dieses Mal geht es um schwerwiegende Vorwürfe bezüglich der Sicherheit der Zuschauer im Stadion Nou Camp.
Einem Bericht der in Barcelona ansässigen Tageszeitung La Vanguardia (via larazon.es) zufolge, soll die alte Klubführung um Josep Maria Bartomeu im Juli 2019 mit einem Bericht der für die Renovierung des Stadions beauftragten Firma Nikken konfrontiert worden sein.
Nikken hatte zuvor das Ingenieurbüro Arup beauftragt, eine Bestandsaufnahme der in die Jahre gekommenen Arena (Eröffnung: 1957) durchzuführen. Und was Arup dabei feststellte, war alles andere als harmlos.
Mehr als 300 Mängel aufgedeckt!
Es sollen nämlich bei dieser Inspektion 127 schwerwiegende Mängel festgestellt worden sein, die eigentlich eine "sofortige bauliche Maßnahme" erfordert hätten.
Besonders erschreckend: 44 dieser Schäden implizierten ein direktes Gesundheits- bzw. Lebensrisiko für die Zuschauer aufgrund der Gefahr, dass Teile des Gebäudes auf Zonen hätten fallen können, in denen sich die Zuschauer aufhalten.
Weitere 190 Defekte wiederum hätten spätestens in einem Zeitraum von einem halben Jahr behoben werden müssen.
Klubführung um Bartomeu sah keinen Bedarf zum Handeln
Der Skandal: Die Vereinsführung tat nichts. Schlimmer noch: Wie die Vanguardia weiter ausführt, soll Bartomeu die Warnung der Ingenieure und Architekten einfach in den Wind geschlagen haben. Der Ex-Präsident und seine Kollegen sollen die Schäden als nicht so gravierend angesehen haben, um die entsprechenden baulichen Maßnahmen einzuleiten.
Es ergibt sich somit ein schockierendes Bild: Zwischen dem Frühjahr 2019 und dem Herbst 2020 wurden in der "Baustelle" 21 Spiele (darunter auch ein Clásico und mehrere Partien in der Champions League) durchgeführt, obwohl der Führung (auch schon aufgrund früherer Gutachten) bewusst war, dass dies ein Risiko für die Stadionbesucher bedeutete.
Bis zur Amtsübernahme der neuen Führung um Klub-Chef Joan Laporta passierte somit - nichts! Erst im August dieses Jahres kamen Meldungen auf, dass der Klub nach Laportas Amtsantritt im März in hastiger Eile Reparaturen und Baumaßnahmen im Wert von 1,8 Millionen Euro durchgeführt habe.
Der Generaldirektor des Klubs, Ferran Reverter, bestätigte erst vor kurzem im Rahmen eines Vortrages über die wirtschaftliche Lage des Vereins, dass ohne diese jüngsten Maßnahmen die Öffnung des Stadions für die Zuschauer "aufgrund der zahlreichen und gefährlichen Pathologien des Gebäudes nicht zu verantworten" gewesen wäre.
Dieser Skandal - man muss es so nennen - ist ein weiteres Mosaiksteinchen, das, zusammen mit den anderen, ein sehr unrühmliches Bild der alten Führungsriege des Vereins zeichnet.