Ein Clásico im Zeichen von Corona

Werden den morgigen Clásico vorm Bildschirm verfolgen müssen
Werden den morgigen Clásico vorm Bildschirm verfolgen müssen / David Ramos/Getty Images
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Wieder einmal steht in Spanien der alles überstrahlende Clásico an. Der FC Barcelona empfängt Real Madrid. Trotz Corona und trotz der institutionellen und tagesaktuellen Probleme, die beide Klubs (und ihre weltweiten Anhänger) in den letzten Wochen und Monaten in Atem gehalten haben, bleibt das Spiel zwischen Azulgrana und Blancos immer noch das Maß aller Dinge. Nicht nur in Spanien.

Und dennoch wird das morgige Aufeinandertreffen der beiden Erzrivalen (16.00 Uhr) natürlich mit keinem vorherigen vergleichbar sein. Denn ein kleines Virus mit großer Wirkung bedingt es, dass das größte Spektakel des Vereinsfußballs (die Fans in Rio de Janeiro, Buenos Aires, Glasgow, Mailand oder im Revier mögen es mir verzeihen!) vor leeren Rängen ausgetragen werden muss. Erstmals in seiner Geschichte.

Statt an der Wucht eines mit mehr als 90.000 Zuschauern gefüllten Nou Camps wird man sich morgen der Vernehmbarkeit der Kommentare und Kommandos der Spieler auf dem Rasen erfreuen (?) können. Und der der Trainer. Wobei Reals Zinédine Zidane eher nicht zu den lauten Kommandogebern seiner Zunft gehört. Und auch Ronald Koeman ist dafür bekannt, einem Spiel meist sachlich und unaufgeregt zu folgen.

Wobei: wenn es ein Spiel gibt, bei dem die Trainer den Dingen einfach mal freien Lauf lassen können, dann ist es eben dieser Clásico. Extra motivieren müssen wird man wohl keinen der Spieler, die morgen Nachmittag auf den Rasen der riesigen und fast menschenleeren Arena einlaufen. Schlichtweg weil dafür einfach viel zu viel auf dem Spiel steht. Fünfter Spieltag und Corona hin oder her: Es ist immer noch ein Barça-Madrid!

Beide Teams zuletzt mit Niederlagen in der heimischen Liga

Bis zum Champions League-Auftakt unter der Woche sah es nach einem Duell der Enttäuschten aus: beide Teams ließen am vergangenen Wochenende in der heimischen Liga Federn. Doch während sich der FC Barcelona vor drei Tagen zumindest in Teilen für die 0:1-Niederlage in Getafe rehabilitieren konnte und den ungarischen Vertreter von Ferencvaros Budapest mit 5:1 nach Hause schickte, schrillen in Madrid die Alarmglocken seit Mittwochabend noch lauter.

Gegen die Ukrainer hatte Real das Nachsehen
Gegen die Ukrainer hatte Real das Nachsehen / GABRIEL BOUYS/Getty Images

Begonnen zu läuten hatten sie schon am letzten Samstag, als der FC Cádiz zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte bei den Königlichen gewinnen konnte. Richtig laut wurden sie dann nach der peinlichen Vorstellung gegen ein ersatzgeschwächtes Team von Schachtar Donezk.

Keine klare Favoritenrolle auszumachen

Und so tut man sich irgendwie ein bisschen schwer, einen klaren Favoriten für den morgigen Showdown auszumachen. Zumal die auf den Heimvorteil verweisenden Argumente unter diesen pandemischen Umständen ins Leere laufen.

Und auch die auf die Form der letzten Tage und Wochen abzielenden Prognosen sind nicht wirklich solide. Zu oft habe ich in den vergangenen zwanzig Jahren Clásicos erlebt, in denen der vermeintlich Favorisierte am Ende die Segel streichen musste. Denn natürlich bietet der morgige Schlager vor allem für Real Madrid eine exzellente Gelegenheit, den Frust der letzten Tage und - wenn man das frühzeitige Champions League-Aus im letztjährigen Finalturnier von Lissabon noch dazunimmt - Monate mit einem Schlag abzustreifen.

In Spanien heißt es, fliegen die Krisen mit der Luftbrücke zwischen Madrid nach Barcelona hin und her. Heißt: wer in den Augen der Buchmacher als vermeintlicher Verlierer vom Platz gehen wird, wird das Spiel höchstwahrscheinlich gewinnen. Und umgekehrt. Selten haben sich Clásicos so entwickelt, wie von allen vorhergesagt.

Doch da es diese einhellige Prognose für das morgige Spiel im Vorfeld gar nicht gab, kann tatsächlich mit allem gerechnet werden. Auf jeden Fall dürfte es wieder ein Spektakel werden. Auch ohne Zuschauer. Clásico bleibt eben Clásico.