Bentaleb schießt gegen Schalke - die Medaille hat zwei Seiten

Nabil Bentaleb wird Schalke wohl nicht allzu viele Tränen nachweinen
Nabil Bentaleb wird Schalke wohl nicht allzu viele Tränen nachweinen / Alex Grimm/Getty Images
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Auch wenn Nabil Bentaleb in sehr vielen Pflichtspielen für Schalke auf den Platz stand, über die nun laufende Trennung dürften beide Seiten nicht allzu traurig sein. Der Mittelfeldspieler äußert nun aber große Vorwürfe, durch die er als schuldloser Sündenbock erscheint. Das ist zwar berechtigt und angebliche Vorkommnisse würden nicht wirklich überraschen - doch darf man die andere Seite nicht gänzlich ausblenden.


In ganzen 107 Pflichtspielen stand Nabil Bentaleb für Schalke 04 auf den Platz. Damit hat er nicht nur einen Großteil seiner bisherigen Karriere als Profi im zeitlichen Sinne in Gelsenkirchen verbracht. Trotz seiner mehrfachen Suspendierungen und auch Verletzungen sind das noch immer über 40 mehr Einsätze, als er beispielsweise für Tottenham Hotspur absolvierte.

Und nun endet die gemeinsame Zeit, die Zeit in Blau-Weiß. Darüber wird er ebenso wenig in Trauer verfallen, wie der Klub. Nie hat man wirklich zusammen gefunden, nie konstant und ohne gegenseitige Probleme zusammenarbeiten können.

"Ich bin aus allen Wolken gefallen" - Bentaleb wirft Schalke unfaire Behandlung als Sündenbock vor

Im Interview mit Sport1 erhebt Bentaleb nun schwere Vorwürfe. Dabei äußerte er sich auch zu den Suspendierungen, auch zur letzten. Er wurde an seinem Geburtstag ins Trainerbüro zitiert. "Ich habe gedacht, dass ich ein Geschenk vom Verein bekomme", erzählte er. "Mir wurde dann allerdings gesagt, dass ich suspendiert werde. Ich bin aus allen Wolken gefallen und habe sofort gefragt warum."

Die angebliche Antwort des damaligen Sportvorstands gibt er so wieder: "Ich werde nie vergessen, was Jochen Schneider zur mir gesagt hat: 'Ich weiß, dass wir dich nicht fair behandeln, Nabil. Aber du musst unsere Entscheidung akzeptieren.' Das hat wehgetan. Ich wurde zwei Jahre lang von vielen Leuten im Verein attackiert."

Nabil Bentaleb
In dieser Saison lief Nabil Bentaleb nur in neun Liga-Einsätzen auf / Alexander Hassenstein/Getty Images

Über die Suspendierung unter Huub Stevens sprach er ebenfalls. Seine Frau sei damals schwanger gewesen: "Die Situation war sehr kompliziert. Die Ärzte haben uns gesagt, dass unsere Zwillinge nur eine Überlebenschance von 50 Prozent hätten. Das war eine schlimme Zeit. Ich habe drei Monate im Krankenhaus bei meiner Frau geschlafen. Ich konnte aus diesem Grund leider nicht immer zum Training kommen."

Am Tag der Geburt spielte Schalke gegen RB Leipzig. Es sei verlangt worden, dass er dennoch auf der Tribüne anwesend sein müsste. Am Tag darauf wurde er in die U23 versetzt, wo er neun Monate trainieren musste. Ein weiteres Mal, weil er und ein weiterer Spieler eine Stunde des Deutsch-Unterrichts verpasst haben. Allerdings gab auch er zu: "Sicherlich habe auch ich Fehler gemacht. Es war nicht immer alles korrekt."

Bentalebs Vorwürfe stehen im Raum - auch wenn sie logisch klingen, so ist es nur eine Seite der Medaille

Bentaleb erhebt in diesem Interview große Vorwürfe gegenüber S04 und insbesondere den damals handelnden Personen. Fasst man seine Aussagen zusammen, so ergibt sich ein falsches Bild von ihm. Ein Bild, in dem er als Sündenbock auserkoren wurde. Kleine Fehler haben zwar existiert, das räumte er ein. Doch in den allermeisten Fällen ist von unfairen Behandlungen die Rede.

Dass sich einige Spieler im Frühjahr dafür eingesetzt haben, dass er nach seiner fünften Suspendierung nochmals in die Mannschaft zurückkehren und helfen darf, wurde schon damals berichtet. Ein Aspekt, den auch er anspricht. Wäre er so problematisch gewesen, speziell für das Team, wäre das wohl nicht vorgekommen. "Dafür bin ich den Jungs auf ewig dankbar", so der 26-Jährige.

Dazu muss man ganz klar sagen: Das Bild, dass Bentaleb mit diesen Vorwürfen zeichnet, ist kein allzu abstraktes. Schon häufig kam es einigen Fans sehr komisch vor, dass es immer wieder ihn bei Bestrafungen traf. Mehrmals ohne offensichtlichen oder triftigen Grund. Ein Sündenbock, so kann man im Nachhinein gut verstehen, hat aufgrund der Krisen Sinn gemacht. Den Fans einen Schuldigen zum Fraß vorwerfen - auch um so tun zu können, als gäbe es kaum andere Fehlerquellen.

Dazu muss man eines ganz klar sagen: Sollte auch nur die Hälfte der Storys, die der Algerier bezüglich seiner Behandlung bei Königsblau erzählte, wahr sein - dann müssen sich die damals zuständigen Personen schämen. Nicht weniger als das.

Natürlich gibt es aber auch ein aber. Mit diesem Interview sieht man nur die eine Seite. Man bekommt nur erzählt, wie Bentaleb selbst seine Zeit wahrgenommen hat. Es gibt dazu keine Stimme, die aus Vereinssicht spricht, die manche Situationen vielleicht aufklären könnte. So ergibt sich noch kein vollständiges Bild.

Der Verein wird sich dazu auch nicht äußern. Eine Anfrage seitens der WAZ bestätigte dies. Auch das muss keineswegs mit einer Art Akzeptanz dieser Vorwürfe zu tun haben. Was sollen Peter Knäbel, Rouven Schröder und Co. auch zu den letzten drei, vier Jahren sagen? Es ist und bleibt eine schlicht traurige Geschichte. Dass Schalke jedoch im Umgang mit einigen Leuten deutlich besser hätte sein können, steht ohnehin außer Frage.