Leverkusens Motto: No defense, just vibes

Gute Laune gibts in Leverkusen so häufig wie geschenkte Gegentore
Gute Laune gibts in Leverkusen so häufig wie geschenkte Gegentore / Frederic Scheidemann/GettyImages
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Bayer Leverkusen wird die Hinrunde in den Top-Fünf, womöglich sogar in den Top-Drei beenden. Zugleich gibt es aber immer wieder Probleme mit zu vielen Gegentoren. Teilweise bekommt man beim Zuschauen der Werkself das Gefühl, das Team werde mit lediglich guter Stimmung angetrieben. Ganz nach dem Motto: No defense, just vibes.


Zweimal Platz zwei: Bayer Leverkusen stellt nicht nur die zweiterfolgreichste Offensive der Bundesliga. Ganze 39 Tore wurden in den bisherigen 16 Partien erzielt, damit liegt man auf Augenhöhe mit dem gerade im Angriff so hochgelobten BVB.

Patrik Schick ist zugleich der zweitbeste Torschütze der Saison. Mit 16 Toren liegt er lediglich zwei Treffer hinter Robert Lewandowski, dafür drei vor Erling Haaland.

Leverkusen heißt Offensive. Das ist nicht nur in dieser Spielzeit der Fall, das war schon in den letzten Jahren so. Pfeilschnelle Flügelspieler, eiskalte Torjäger und ein klarer Plan des jeweiligen Trainers, wie diese Komponenten zu nutzen sind. Auch Gerardo Seoane bringt das wieder auf den Platz.

Ein Steckenpferd, das die Werkself aber nach wie vor nicht losgeworden ist, ist die gefährliche Sorglosigkeit in der Defensive. Aufgrund der satten 26 Gegentoren waren bislang nicht mehr Punkte möglich. Gerade einmal fünf (!) Teams haben noch häufiger dem gegnerischen Team beim Jubeln zusehen müssen. Wo die allermeisten dieser Teams tabellarisch stehen, dürfte logisch sein.

Gerardo Seoane
Auch Gerardo Seoane bringt Leverkusen in die Offensive / Frederic Scheidemann/GettyImages

Mehr Tore erzielen als der Gegner - das Werkself-Motto muss aber auch nachhaltig gesichert sein

No defense, just vibes. Das scheint das Motto dieser Mannschaft zu sein. Gute Laune, viele Angriffe, zahlreiche sehenswerte Tore. Die bloße Hoffnung im Wissen um die eigene Qualität, vorne einfach immer ein, zwei Treffer mehr zu erzielen, als dass man sie selbst hinnehmen muss. Weiter, weiter, immer weiter.

Was für den neutralen Beobachter unterhaltsame Spiele garantiert, ist für die Vereinsverantwortlichen wohl nicht ganz so lustig. Die letzten beiden Spieltage waren exemplarisch für das Problem, das damit einhergeht. Sowohl gegen Eintracht Frankfurt, als auch gegen die TSG Hoffenheim führte das Team zwischenzeitlich mit 2:0. Beide Male wurde nicht gewonnen, lediglich ein Punkt insgesamt mitgenommen.

Wer so spielt, so häufig auch frühzeitig in Führung geht, verliert unzählige (und unnötige) Punkte. In dieser Hinrunde hat das dafür gesorgt, dass der Abstand zum BVB mit bereits sechs Zählern schon eine ordentliche Lücke aufweist. Dabei ist auch Schwarz-Gelb nicht gerade bekannt dafür, in souveräner Regelmäßigkeit die wichtigen Pflichtsiege einzufahren.

Derzeit schaut es so aus, als würde dieser Harakiri-Stil am Ende für das internationale Geschäft reichen. Vielleicht sogar für die Champions League, für die Europa League ziemlich sicher. Das Problem: kommt es nicht alsbald zur Leverkusener Erkenntnis, dass auch mal ordentlich verteidigt werden muss, reicht eine unangenehme Stürmer-Krise, um das bisherige Erfolgsrezept nachhaltig ins Wanken zu bringen.

Dann erleben wir die Werkself, wie wir sie schon häufig gesehen haben: nach einem guten Einstieg in die Saison mit einem unnötigen Absturz, der dafür sorgt, dass schlussendlich mal wieder weniger dabei herausgekommen ist, als mit dieser tollen Mannschaft eigentlich nötig und auch möglich gewesen wäre. Soweit darf es dieses Mal aber nicht kommen.

So begeisternd dieses "no defense, just vibes"-Mantra auch sein mag: es ist kein fester Weg, der dadurch beschritten wird. Es kann bis zum Saisonende gut gehen. Mit etwas Glück dabei auch für ein noch besseres Abschneiden reichen, immerhin lassen auch die anderen Topteams regelmäßig Punkte liegen. Das Problem ist jedoch, dass man sich dessen keineswegs sicher sein kann.