Erkenntnis der Hertha-PK: Auch Michael Preetz steht auf Bewährung
Von Christian Gaul
Nach dem aufsehenerregenden Rücktritt von Jürgen Klinsmann als Trainer des Bundesligisten Hertha BSC und den über die sozialen Medien veröffentlichen Erklärungen des 55-Jährigen, bezog nun auch die versammelte Hinterbliebenschaft des Haupstadtklubs zu den Vorkommnissen Stellung und gab eine ausführliche Pressekonferenz. Auf dieser zeigte sich, dass die Hertha auch weitere Verantwortliche in Frage stellen sollte und die Probleme nicht mit dem Abgang Klinsmanns verschwinden werden.
Neben dem Investor Lars Windhorst standen auch Präsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz den anwesenden Journalisten zur Verfügung. Während sich Windhorst darum bemühte, die Lage als nicht dramatisch zu beschreiben und bei seinen Ausführungen zum weiteren Vorgehen des Klubs eine respektable Figur abgab, waren die Stellungnahmen von Gegenbauer und im Besonderen von Preetz durchtränkt mit verletzter Eitelkeit und Angst um die eigene Position.
So raunte Gegenbauer auf die Frage nach einer erneuten Kandidatur dem Journalisten entgegen: "Ob Sie noch eine weitere Amtszeit meinerseits ertragen müssen - so verstehe ich die Fragestellung - das weiß ich noch nicht. Aber ich werde kandidieren, ja." Ebenso wie Preetz sprach der Präsident im Vergleich zu Windhorst wesentlich leiser und teilweise wirkten seine Aussagen unvorbereitet und unzusammenhängend, positiv formuliert aus der Zeit gefallen. Überdeutlich wurde aber der Kontrast zum selbstbewusst und lösungsorientiert argumentierenden Windhorst, als Michael Preetz seinen Redeanteil bekam.
Preetz: Persönliche Abrechnung statt Eingeständnis
Preetz redete viel über sich, seine Funktion und seine bisherigen Verdienste, so wolle "niemand hier mehr Erfolg" als er selbst, das sei "klar". Auch habe er "den Verein wirtschaftlich konsolidiert und im Mittelfeld der Bundesliga etabliert", was mit Verlaub im Hinblick auf die Möglichkeiten der Hertha beileibe kein Kunststück sein sollte. Im Bezug auf Klinsmanns Aussagen betonte er, es "ist kein Austausch über meine Anwesenheit auf der Ersatzbank und mein Verhalten während des Spiels möglich, wenn man einfach davon läuft".
Als es um die Kernfrage von Klinsmanns Wunsch nach einem eher dem Modell in der englischen Premier League angelehnten Kompetenzbereich für den Trainer ging, verstrickte sich Preetz sogar in einen offensichtlichen Widerspruch und ließ Eingeständnisse zu eigenen Fehleinschätzungen radikal vermissen. So habe Preetz "bereits vor Jahren mit Jürgen darüber gesprochen. Eines Tages kannst du mit deiner Strahlkraft auf der Trainerbank die Hertha voran bringen." Schon damals offenbarte Klinsmann demnach seine Vorstellung, "mehr Entscheidungsgewalt im Sinne eines Teammanagers" zu fordern, woraufhin Preetz ihm klar machte, dass er "und Ingo Schiller hier in dieser Funktion angestellt sind" und damit bei Management-Entscheidungen "auch das letzte Wort haben. Das ist unverhandelbar und unverrückbar."
Zusätzlich bestätigte er die Vorkommnisse in der Winterpause, als Klinsmann aufgrund der selben Forderung bereits mit seinem Rücktritt drohte. Trotz bestätigter zweimaliger Debatte mit Klinsmann um dessen Aufgabenbereich beschreibt Preetz den nun einseitig vollzogenen Schlussstrich als "Überraschung" und widerspricht sich selbst damit immens - und räumt mit keinem Wort eine Fehlbegutachtung des Risikos mit Klinsmann ein.
Tiefer gehende Probleme - Windhorst als unverhoffter Lichtblick
Jürgen Klinsmann war bereits der zwölfte Trainer in der elfjährigen Amtszeit von Preetz als "Mann mit dem letzten Wort" bei sportlichen Personalentscheidungen. Doch nicht nur die fehlende Konstanz bei der Wahl des Übungsleiters scheint bei der Hertha mittlerweile Tradition zu haben, es lässt sich auch der Vorwurf der "Klüngelei" bei der Kaderplanung und in Trainerfragen nicht wirklich widerlegen. Unter dem Ex-Trainer und -Spieler Pal Dardai war dessen Sohn Palko auf dem Sprung in die erste Elf, unter dem Ex-Trainer und -Spieler Ante Covic stand der Sprössling Maurice im Bundesligakader und auch Klinsmanns und Köpkes Söhne Jonathan bzw. Pascal haben starken Hertha-Bezug.
Zudem wird spekuliert, dass der Ex-Spieler Niko Kovac die nun vakante Position des Perspektivtrainers übernimmt. Sicherlich ist ein gewisser Stallgeruch förderlich für die Kommunikation und die interne Zusammenarbeit, doch bei der Hertha scheint man ein wenig zu sehr auf Bekannte und Verwandte zu setzen. Als Lichtblick für den überfälligen Aufbruch dieser Strukturen könnte sich Windhorst selbst entwickeln, da dieser über die wirtschaftliche Kompetenz und den dringend nötigen progressiven Enthusiasmus verfügt, um den Hauptstadtklub aus seiner Lethargie zu reißen. Der Investor war auf der Pressekonferenz der einzige Verantwortliche, der glaubhaft seine Ambitionen versicherte. "Es gibt keinen Grund warum die Hertha nicht in den nächsten Jahren eine führende Position in Deutschland und Europa einnehmen soll", sagte Windhorst und bekräftige den finanziellen Beistand seiner Investmentgruppe "für mehr als die nächsten zehn Jahre".
Personelle Veränderungen nicht nur bei Abstieg
Die Entwicklung der Hertha zum "Big-City-Club" kann nur mit anderen handelnden Personen vollzogen werden. Die jetzige Riege um Preetz und Gegenbauer hat nachweislich kein gutes Zeugnis für ihr bisheriges Schaffen verdient und ihre Aussagen bei der Pressekonferenz lassen auf gescheiterte Gemüter deuten, die ihre eigene Machtposition und den nicht zu bewältigen Spagat zwischen internationaler Strahlkraft und altbackener Strukturen als alternativlos betrachten - nicht nur bei einem Abstieg am Saisonende sollten die beiden zurücktreten.
Herthas aktuelle Situation erinnert stark an den rasanten Fall von 1860 München, wie von 90min schon geschildert, nur dass in Berlin die Vetternwirtschaft auf Vereinsseite zu finden ist und der Investor als konsensorientierter Hoffnungsträger auftritt - was aber auf das selbe Endergebnis hindeutet.