Klinsmann und der FC Bayern - warum es vorne und hinten nicht gepasst hat

facebooktwitterreddit

Bald ist es zwölf Jahre her, dass ​Jürgen Klinsmann seine Tätigkeit als Chef-Trainer beim großen ​FC Bayern München begann. Jeden Spieler wolle er jeden Tag etwas besser machen, so seine forsche Ankündigung damals. Am Ende blieb er nicht mal eine ganze Saison.

Ziemlich genau neun Monate hielt sich Klinsmann als Chef-Trainer an der Säbener Straße. 
Im Nachhinein kann man wohl vom klassischen "Zu viel zu schnell gewollt" sprechen. Klinsmann wollte keinen Stein auf dem anderen lassen, kümmerte sich von architektonischen Dingen bis zu Weiterbildungsmaßnahmen um so gut wie alles - nur nicht um den Kern seiner Arbeit: Die Fußball-Lehre.

Klinsmann kein Taktik-Experte

Heute wüssten es wohl auch die Bayern besser. Deren Fazit nach dem neunmonatigen Missverständnis: Klinsmann ist ein guter Team-Manager - aber kein guter Trainer. Auch wir wissen heute mit dem Abstand der Jahre: Beim Sommermärchen 2006 war nicht Jürgen Klinsmann, sondern Jogi Löw der Verantwortliche dafür, die Mannschaft taktisch auf den jeweiligen Gegner einzustellen.

Doch im August 2008 holte sich Klinsmann keinen Löw zur Seite - der hätte wohl auch gar nicht gewollt, schließlich hatte er noch was mit der Deutschen Nationalmannschaft vor - sondern einen Mexikaner namens Martín Vázques. 

Und schon bald begannen Klinsmann und Co sich buchstäblich zu verzetteln. Bereits am Dienstag vor dem Spiel des Wochenendes lagen in diversen Räumen des Traininszentrums DIN-A4-Blätter verteilt, auf denen die Aufstellung und taktische Ausrichtung des jeweils anstehenden Gegners dargestellt waren.

Einmal soll Bastian Schweinsteiger dabei einen Fehler bemerkt haben, denn die Formation des Gegners war als 4-4-3 bezeichnet worden. Elf Feldspieler? Auf Anfrage der Sportbild soll die Klinsmann-Seite diesen Vorgang bestritten haben. Wie auch die berühmten Buddha-Statuen, die über das Trainingsgelände verteilt aufgestellt worden waren, nicht auf Klinsmanns Mist gewachsen sein soll. 

Der Dekorateur Jürgen Meißner soll sie bestellt haben. Eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Chef vom Ganzen? Irgendwie schwer glaubhaft. Aber das waren andere Vorgänge während der Klinsi-Zeit in München auch.

Wie z.B. der Umstand, dass Klinsmann seinen Spielern ernsthaft ans Herz legte, zwischen den einzelnen Trainings-Sessions doch einfach mal eine neue Fremdsprache zu lernen. Eine Bibliothek wurde ebenfalls eingerichtet - und von Franck Ribéry ziemlich schnell zur Schlaf-Stube zweckentfremdet. Auch wurden Computer angeschlossen, damit die Spieler in ihrer freien Zeit Lernprogramme studieren konnten. 

Zumeist wurden auf ihnen Porno-Filme abgespielt, deren Ton (hauptsächlich Stöhnen und Keuchen) dann im ganzen Trakt zu hören waren. Es mutet fast schon ein bisschen nach Satire an, wenn man heute weiß, dass sich die Bayern-Bosse von der Klinsmann-Verpflichtung auch erhofften, das von ihnen ausgemachte Disziplin-Problem beim deutschen Rekordmeister zu beheben. 

Fehlende Fachkenntnisse - Disziplinlosigkeiten des Stars

Vor allem Frank Ribéry tanzte seinem neuen Chef das eine oder andere Mal auf der Nase rum.
Wie z. B. als er den Mannschaftsbus während eines Trainingslagers in Dubai kaperte, und trotz der Aufforderungen von Klinsmann, das Steuer nicht mehr hergab

Erst als er den Bus gegen ein Verkehrsschild steuerte, war die wilde Fahrt vorbei. Und zu allen diesen Anekdoten gesellte sich dann auch noch das offensichtlich mangelnde fußballerische Verständnis. Einen Landon Donovan wollte Klinsmann unbedingt haben - der sei mit seiner Schnelligkeit die ideale Besetzung für das von ihm angedachte Tempo-Spiel, das er beim FC Bayern durchsetzen wollte.

Beim ersten Belastungstest stellte sich dann heraus: Nur ein Spieler im Kader war langsamer als Donovan - Torwart Michael Rensing. Da mutet es fast schon logisch an, dass es in Klinsmanns Amtszeit war, dass das Super-Talent Toni Kroos (damals zarte 19 Jahre jung) keine Chancen erhielt - und zum Liga-Konkurrenten Bayer Leverkusen verliehen wurde. 

Überhaupt: In puncto Menschenführung offenbarte Klinsmann ebenfalls eklatante Schwächen. So soll er an einem Tag einem Spieler den Einsatz im nächsten Spiel quasi versprochen haben - am Spieltag selber sich aber dieses Versprechens nicht mehr erinnert haben. Solche Aktionen sind natürlich dafür geeignet, ganze Spieler-Fraktionen gegen den Trainer aufzubringen.

Auch Neuheiten organisatorischer Art führte Klinsmann ein - wie das gemeinsame Mittagessen mit den Familien der Spieler im Trainingszentrum. Als das ausartete und bisweilen zu sit- ins mit Gitarrenklängen und Gesang mutierte, beendete Hoeneß diese Auswüchse. Doch vielleicht hätte Klinsmann all dies überstanden, wenn er wenigstens auf sportlicher Ebene Argumente für sich und seine Arbeit geliefert hätte. Hat er aber nicht.

Demütigungen in Wolfsburg und Barcelona

Nach den beiden Klatschen in Wolfsburg (1:5) und in der Champions League gegen den FC Barcelona (0:4) war Klinsmanns Schicksal eigentlich schon besiegelt.

Am Ende nicht mehr auf einer Wellenlänge: Jürgen Klinsmann und Uli Hoeneß

Umso frappierender war es dann, zu sehen, wie wenig Realitätsbezug dem gebürtigen Stuttgarter zu diesem Zeitpunkt geblieben war. Denn wenige Tage nach der demütigenden Abreibung in Barcelona, bei der das Ergebnis fast noch das beste am Spiel war, glaubte Klinsmann, den Moment gekommen zu wissen, mit der Vereinsführung schon mal die Planung für die folgende Spielzeit anzugehen - und rief abends Uli Hoeneß an. 

Dabei fabulierte Klinsmann sogar von einer Vertragsverlängerung, die er sich sehr gut vorstellen konnte. Doch da bremste ihn Hoeneß aus - und sagte ihm unmissverständlich, dass er statt die neue Saison zu planen lieber das nächste Spiel gewinnen solle. Ansonsten würde es für ihn als Bayern-Coach nämlich richtig eng. Nach einem 0:1 gegen den FC Schalke 04 war die Zeit Klinsmanns als Trainer des FC Bayern als Trainer endgültig beendet.