Kai Havertz wird von eigenen "Fans" ausgepfiffen - dumm und unnötig, liebe Leverkusener!

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Das größte deutsche Fußballtalent steckt in der Formkrise. Kai Havertz konnte bislang nicht an seine vergangene Megasaison anknüpfen, mit nur vier Torbeteiligungen in 20 Pflichtspielen läuft der 20-Jährige seinen Ansprüchen und auch denen der Fans weit hinterher. Letztere quittierten seine zuletzt schlechten Leistungen gar mit Pfiffen. Die 90min-Redaktion ist sich einig: Die Pfiffe gegen den Star von  ​Bayer 04 Leverkusen sind absolut unnötig!

Was war passiert? Am Mittwochabend spielte die Werkself mit Havertz in der Startelf in der heimischen BayArena gegen ​Hertha BSC. Leverkusen hatte nach der peinlichen Derbyniederlage in Köln wieder viel gut zu machen, ließ sich jedoch von den Gästen neutralisieren. ​Mit 0:1 verlor Bayer 04 das letzte Heimspiel der Hinrunde, Havertz blieb wie auch seine Teamkollegen jede Menge schuldig. Als der 20-Jährige in der 72. Minute für den frischen Paulinho ausgewechselt wurde, begrüßten viele Fans die Entscheidung von Peter Bosz und pfiffen den Shootingstar aus.

Pfiffe gegen den eigenen Spieler - ein probates Mittel?

Diese Aktion schlug in den Medien teilweise hohe Wellen. Erstmals wendeten sich eigene Fans gegen das wohl größte Talent der Vereinsgeschichte und reagierten auf die zuletzt schlechten Leistungen. Tatsächlich ragt Havertz bei der sowieso schon kollektiv schlechten Werkself noch negativ heraus, wirkt auf dem Platz oft lustlos, ohne Antrieb und ohne Bindung zum Spiel. Sind die Pfiffe also berechtigt?

Definitiv nein! Einige, wenn auch längst nicht alle Bayer-Fans, zeigten im Spiel gegen die Hertha allerdings mit Bravour, wie schnell man im heutigen Fußballgeschäft vergessen kann. Wer vor Kurzem noch der absolute Held war, ist morgen schon der Buhmann. Rücksicht auf den Spieler? Fehlanzeige. Schließlich verdient Havertz ja zig Millionen Euro im Jahr und der geneigte Fußballfan will im Stadion ja unterhalten werden...

Bayer 04 hat seit Jahren ein massives Fanproblem. Schwindende Zuschauerzahlen und bescheidene Stimmung sind nur zwei Punkte in einer Fankultur, die zwar auf eine lange Geschichte zurückschauen kann und dennoch irgendwie in den Kinderschuhen stecken geblieben ist. Die Pfiffe gegen den 20-Jährigen zeigen nun noch eine weitere Problemstelle, die man zuletzt beim Auswärtsspiel gegen Borussia Dortmund in dieser Saison wahrnehmen konnte.

Brandt 2.0, nur eben mit dem Kreuz auf der Brust...

Mitte September spielte die Werkself im Signal Iduna Park und traf dort auf dem frisch zum ​BVB gewechselten Ex-Spieler Julian Brandt. Der 23-Jährige machte insgesamt über 200 Pflichtspiele für Bayer 04, als Brandt allerdings nach seiner Auswechslung am Gästeblock vorbeilief, wurde er massiv ausgepfiffen und beschimpft. Dankbarkeit für seine Zeit unter dem Bayerkreuz gab es keine.

Nun erlebt man im heimischen Stadion ein Deja Vu, nur dass diesmal der Spieler noch das Leverkusener Trikot anhat. Natürlich ist Havertz aktuell nicht die Stütze, die man beim Bayer braucht, natürlich hätte sich auch der 20-Jährige einen anderen Saisonverlauf gewünscht und natürlich ist Kritik am Spielstil des Profis berechtigt. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen sinnvoller Kritik und sinnlosem Pfeifen. Denn haben die pöbelnden Fans schon einmal überlegt, was ihre Aktion beim Spieler bewirkt?

Havertz selbst äußerte sich nach der Partie nicht zu den Pfiffen, stattdessen meldeten sich seine Teamkollegen zu Wort. "Ich finde es scheiße. Es bringt nichts. Er wird dadurch nicht motivierter sein", bewertet Jonathan Tah gegenüber der Bild die Reaktion der Fans. Auch Sven Bender schneidet eine ähnliche Position an: "Für den Jungen ist es nicht angenehm. Wir dürfen nicht vergessen, dass er ein überragender Spieler ist. Dass er sich Gedanken über seine Zukunft macht, ist auch normal."

Besonders Bender spricht einen interessanten Punkt an. Für Havertz veränderte sich in den vergangenen drei Jahren alles. Vom grünohrigen Teenager entwickelte sich der Junge zum Stammspieler und Aushängeschild eines deutschen Topklubs, zum Nationalspieler und zu einem der meistgejagten Talente Europas. Dass Havertz immer noch lediglich 20 Jahre auf dem Buckel hat, vergessen so einige. Kaum einer in diesem Alter dürfte jetzt schon solch eine Last auf den Schultern tragen, zumal Havertz - wie wir alle auch - lediglich ein Mensch ist.

enschen machen Fehler und hängen auch mal durch, schließlich sind wir keine Maschinen. Auch ein Havertz darf sich in Anbetracht seines bereits Geleisteten (125 Pflichtspiele, 31 Tore, 23 Vorlagen!!!) und seiner schwerwiegenden Zukunftsentscheidungen durchaus menschlich zeigen, zumal mit Brandt im vergangenen Sommer nicht nur ein genialer Mitspieler, sondern auch ein sehr enger Freund Leverkusen verließ. Die einzig wichtige "Frage" zu diesem Thema  ist nun, wie die Fans damit umgehen. Pfiffe sind jedenfalls keine Lösung.

Es geht auch anders

Ein Beispiel sollte man sich vielleicht am ​SV Werder Bremen nehmen. Dieser steht nach der unfassbaren 0:5-Heimpleite gegen Mainz auf dem Relegationsrang. Doch auch nach dieser schlechten Vorstellung standen die eigenen Fans hinter der Mannschaft und sprachen dem Team nach Abpfiff Mut zu. So geht Support, liebe Leverkusener!

Pfiffe gegen eigene Spieler bringen also überhaupt nichts, gerade in der Causa Havertz, der bedingt durch sein Alter und seine aktuelle Situation sowieso in einem anderen Kontext gesehen werden muss und trotz seiner nur 20 Jahre schon sehr viel für den Verein geleistet hat. Wer wütend auf Team und Spieler ist, soll seine Energie lieber in seine Stimme investieren, denn nur durch vernünftige Unterstützung kann man zusammen Großes erreichen.

Mir persönlich tut es um Havertz sehr leid. Geht das so weiter, wird der Spieler nach seinem wahrscheinlichen Abgang im kommenden Sommer Bayer 04 keine Träne nachweinen. Und genau das wär sehr schade. Havertz ist ein erfolgreiches Aushängeschild der eigenen Jugendarbeit und lässt Bayer 04 international wieder im neuen Licht erscheinen. Es wäre eine Blamage, diese Beziehung zwischen Spieler und Verein durch ein paar pöbelnde Fans zerstören zu lassen. 

Fußball ist ein Sport, in dem es neben Erfolg auch um Würde, Stolz und Ehre geht. Es wird Zeit, dass sich auch einige Fans der Werkself diese Begriffe wieder in den Hinterkopf rufen und Zusammenhalt signalisieren. Wer zusammen gewinnt, verliert auch zusammen. Willkommen im Fußball.