FanVoice | Leverkusens Wendell peilt die Meisterschaft an - fernab der Realität

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 ​Bayer 04 Leverkusen - das steht seit Jahren für qualitativ hohen​ Fußball, gute Jugendarbeit und Offensivpower. Für den großen Sprung reichte es jedoch seit Jahrzehnten nicht mehr. An den DFB-Pokalsieg 1993 erinnern sich wohl nur die hartgesottenen Fans. Wird diese Saison alles anders?

Wenn es nach Linksverteidiger Wendell geht, ja. Der Brasilianer sorgte heute durch eine ehrgeizige Aussage für den ein oder anderen Lacher oder gar für Anerkennung. Wendell, der seit 2014 in Leverkusen spielt, habe sich noch nie so große Chancen auf die Meisterschaft ausgerechnet wie in dieser Saison. Wenn, dann also 2019/20.

Zuerst einmal, danke an die Social-Media-Abteilung von 90min für den Seitenhieb mit Vizekusen. Wenn man aber nun auf die Aussage Wendells eingeht, merkt man schnell, dass er tatsächlich recht hat. Momentan kickt in Leverkusen das mit Abstand beste Team der jüngeren Vereinsgeschichte, zudem hat man mit Peter Bosz einen Taktiker als Trainer, der im Grunde weiß, was er tut. Und aktuell ist die Liga ausgeglichen wie lange nicht mehr. Jeder kann jeden schlagen, warum also nicht auch Leverkusen?

Gut, Euphorie hin oder her. Wenn man sich als geneigter und halbwegs leiderprobter Bayer-Fan von den Fakten auf dem Papier löst und sich traut, den Blick auf die Realität zu werfen, fällt man fast vorm Stuhl. Dafür, dass im Grunde das beste Bayer Leverkusen auf dem Platz steht, ​spielt man ganz schön schlecht.

Meister? Wo?

Gut, wird man da sagen, 14 Punkte nach sieben Spielen sind ordentlich. Platz Sechs - top. Nur acht Gegentore - prima. Null Punkte in der Champions League - oh sorry, wir sprechen hier ja nur über die Liga. Nur eine Niederlage bisher IN DER BUNDESLIGA - wirklich wunderbar. Dass man mit Dortmund und Leipzig aber bisher nur gegen zwei dicke Fische der Liga ranmusste, wird da schnell mal ausgeklammert. Dass man eben gegen diese dicken Fische nur einen Punkte holen konnte, dafür aber fünf Gegentreffer kassierte, ist schon vergessen. Dass man trotz gefühlt 100 Prozent Ballbesitz jedesmal ne Party schmeißen könnte, wenn Bayer es mal schafft, einen Ball auf das gegnerische Tor zu bringen, sieht anscheinend keiner im Team.

Leverkusen spielt aktuell nicht so, wie es ein Meisterschaftskandidat tun sollte. Zugegeben, das tut der BVB momentan auch nicht, aber im Gegensatz zu Bayer 04 haben sie bereits gezeigt, dass sie es theoretisch könnten. 

'Jaaa Momentchen mal', wird da der ein oder andere Fan der Werkself sagen, 'Leverkusen hat das in der vergangenen Rückrunde auch gezeigt.' Und er hat recht! Doch das ist tatsächlich Schnee von gestern, was bringen uns heute die Ergebnisse von letzter Saison?

Plottwist: Fakten ungleich Realität

Ich persönlich mag Wendell sehr. Der Brasilianer sorgt für gute Laune, ist zu Fans sehr freundlich und ist einfach ein Sympathieträger. Durch die heutige Aussage kann man zudem erkennen, dass er über die faktische Sachlage von Bayer 04 und der Bundesliga Bescheid weiß. Nächstes Ziel wäre dann, sich auch auf dem Platz dementsprechend zu verhalten.

Tatsächlich wird Leverkusen solch eine Chance wie diese Saison kaum mehr bekommen. Doch Leverkusen ist nicht gerade ein Meister (hehe) darin, Chancen zu nutzen. Als Leverkusener weiß man das und hat sich damit abgefunden. Da gibt man sich lieber mit dem obligatorischen Minimalziel Europa League zufrieden, als dass man sich mit dem Traum des Titels beschäftigen würde.

Glaubt mir, die Reaktionen, die man so hört und liest, würden anders sein, wenn sich Leverkusen in den vergangenen Wochen auf dem Platz in einer besseren Verfassung gezeigt hätte. Nachdem man allerdings solch enorm große Probleme offenbart hat, dass mir hierzu nicht mal mehr ein Vergleich einfallen möchte, sollte man sich doch lieber auf Ruhe und Bescheidenheit besinnen.

Prinzipiell habe ich nichts gegen ehrgeizige Aussagen. Allerdings sollten diese Aussagen auch berechtigt sein. Wie viel Raum zwischen der faktischen Lage und der tatsächlichen Leistung in Leverkusen liegen, zeigt uns die Abwehrkette der Werkself in schöner Regelmäßigkeit. Vielleicht sollten solche Sprüche wie die von Wendell doch eher auf Leistungen folgen - und nicht umgekehrt.