Marius Wolf: Der BVB verliert einen wichtigen Kartoffelschäler

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Dieses Jahr sind die Macher beim ​BVB in die vollen gegangen. Zuerst transfertechnisch, als binnen kurzer Zeit mit Julian Brandt, Nico Schulz und Thorgan Hazard drei Top-Leute der nationalen Konkurrenz weggekauft wurden - und dann auch noch Mats Hummels kam. Danach dann verbal, als diesem Angriff auf dem Spielermarkt entsprechend kämpferische Ansagen in Richtung München und Titelkampf folgten.

Und damit wir uns nicht falsch verstehen: genauso wünscht man sich als Fan eine Liga. Und deren letzten Vize-Meister. Der geneigte Fußball-Anhänger will kein weinerliches Selbstmitleid darüber, wie viele Möglichkeiten der FC Bayern doch habe. Und wie schwer (eigentlich unmöglich) es heutzutage sei, auf Strecke mit den Münchenern mitzuhalten. Und so weiter und so fort. 

Nein - der Fan will Kampfansagen. Will Wettbewerb. Und genau deshalb hat es auch der Großteil der Republik begrüßt, dass aus Dortmund in diesem Sommer endlich etwas forschere Töne zu vernehmen waren. 

Ankündigungsriese und Umsetzungszwerg

Doch aller Ankündigungen und Marschparolen sind für die Katz, wenn sie nicht gelebt werden.
Es reicht halt nicht, nach dem Schlusspfiff sich mit durchaus lobenswerter Selbstkritik und Offenheit den Medien zu stellen und die Fehler zu benennen: viel besser wäre es, sie gar nicht erst zu begehen. Und: noch besser als auf die Unzulänglichkeiten der anderen zu verweisen, wäre es, mit eigenem guten Beispiel voranzugehen.

​Julian Brandt bilanzierte in seinem Statement, dass die Berliner "den größeren Wille" gehabt hätten. Dass sie "alles rausgehauen" hätten. Da muss man sich fragen: und warum haben die BVB-Spieler das nicht gemacht? Genug Kohle kriegen sie ja schließlich dafür, ebenfalls immer (also fünf bis sechsmal die Woche á zwei bis drei Stunden) alles rauszuhauen. 

Ein Marco Reus mahnte an, dass es eben nicht nur mit Qualität ginge, sondern auch um Willen und Leidenschaft. Doch wo waren sein Wille und seine Leidenschaft voranzugehen?
Marco Reus ist keine 20 mehr, und kann sich entsprechend nicht mehr hinter älteren Spielern verstecken. Er ist jetzt selber einer. Doch seinen Worten folgt oft genug auf dem Spielfeld - nichts!

Ist der Kader zu unausgewogen?

Das M-Wort macht die Runde bei Schwatz-Gelb. M wie Mentalität. ​Doch die wird in Person eines Marius Wolf abgegeben. Und die Konkurrenz (Hertha) freut sich. Zwar wird Wolf nicht billig werden (2,5 Millionen Euro Gehalt pro Jahr + Kaufoption über 20 Millionen Euro), doch Qualität (=Mentalität) hat halt ihren Preis.

Für einen Delaney, sicherlich auch kein Ballvirtuose, hat der BVB letztes Jahr ebenfalls 20 Millionen Euro an Werder gezahlt. Auch ein Axel Witsel wurde nicht wegen seiner aufsehenerregenden Frisur in den Pott gelockt. Man hat sie als sogenannte Mentalitätsspieler geholt. Als Spieler, die auch mal dazwischen gehen können, den Mund aufreißen (und zwar auf dem Platz) und mit kämpferischer Einstellung in jedes Spiel gehen. Ohne solche Arbeiter gewinnst du im Fußball keinen Blumentopf. 

Im Gegenzug wird ein Mahmoud Dahoud seit gefühlt zwei Jahren durchgeschleppt. Nicht missverstehen: Ich halte Mahmoud Dahoud für einen überragenden Kicker. Wenn es läuft. Das tat es meistens bei der deutschen U21-Nationalmannschaft, wo Dahoud bisweilen fantastische Leistungen abgelieferte. Aber meist eben auch nur da: Im Kontext eines dreiwöchigen Turniers mit maximal fünf Begegnungen. 

Auf Strecke, idealerweise über eine ganze Saison hinweg, hat man ihn nie so gut performen sehen wie beim DFB-Nachwuchs. Auch hier bitte nicht fehlinterpretieren: An Dahoud die Inkonstanz der BVB-Mannschaft festzumachen, wäre schlichtweg unfair. Dafür hat er einfach zu wenig gespielt (14 Ligaspiel-Einsätze in der vergangenen Saison). 

Es geht vielmehr um die Zusammenstellung des Kaders. Um die berühmte Chemie im selben. Wenn du nur Starköche in der Küche rumstehen hast, aber keinen, der die Kartoffeln schält oder das Huhn rupft, kann aus dem geplanten Sterne-Menü nichts werden - Wolf wäre eben einer aus der Kartoffelschäler-Kategorie. Da müssen sich auch die Bosse um Watzke, Zorc und Co. hinterfragen. 

Favre muss jetzt zeigen, dass er auch "hart" kann

Sicherlich ist es nach gerade einmal drei Spieltagen noch etwas verfrüht, seriöse Prognosen für den weiteren Verlauf der Saison abzugeben. Doch man muss manchmal die Dinge schon im Keim ersticken. Ein "weiter so, und wir werden die Punkte schon noch holen" darf es nach dem Auftritt an der Alten Försterei nicht mehr geben. Trainer Lucien Favre, eher nicht der Typ knallharter Aufräumer, ist jetzt in neuer Rolle gefragt. Nämlich in der des Zuchtmeisters.