Rekordtransfers und Trainerwechsel: Quo vadis, Hertha BSC?

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Vor einigen Jahren war die ​Bundesliga zwischenzeitlich die einzige europäische Top-Liga ohne einen Hauptstadtklub. Seitdem hat sich ​Hertha BSC von einer Fahrstuhlmannschaft zu einem soliden Klub entwickelt und darf in der kommenden Saison erstmals auch in der Bundesliga das Stadt-Derby gegen Union Berlin bestreiten. Nach einigen Jahren der Stabilisierung folgt nun der nächste Schritt, weshalb sich die Frage stellt: Wie hoch geht es hinaus?

Dass die Hertha wieder ungefährdet im Mittelfeld der Bundesliga schwebt, hängt mit Pal Dardai zusammen. Der Ungar, der bereits als Spieler von 1997 bis 2011 für die Alte Dame aktiv war, machte aus ihr eine unangenehm zu bespielende Mannschaft mit einem kompakten Defensivblock, der nur darauf wartete, die Offensivspieler in Umschaltmomenten mit Bällen zu füttern. Nach einem 15. Tabellenplatz in der Saison 2014/15 sprangen die Berliner erst auf Rang sieben, der darauffolgende sechste Platz bedeutete die Qualifikation für die Europa League.

Das Fundament, auf das Hertha BSC setzt, hat der Klub Pal Dardai (Foto) zu verdanken. Nach mehr als vier Jahren aber war Ende Mai Schluss.

Nach zwei zweistelligen Tabellenplätzen in Folge aber war für Dardai, der insgesamt 172 Pflichtspiele an der Seitenlinie erlebte, am Ende der abgelaufenen Saison Schluss. Wieder einmal vermasselte es seine Mannschaft, die gute Ausgangslage aus der Hinrunde auszunutzen, ließ in der zweiten Jahreshälfte wichtige Punkte liegen und endete im Niemandsland der Tabelle. Seiner Ansicht nach war der Europapokal von Anfang an ein unrealistisches Ziel, doch die Vereinsführung sah das offenbar anders. 

Neuer Trainer, frisches Geld: Der Beginn einer neuen Zeitrechnung

Denn nun steht ​Ante Covic, ebenfalls ehemaliger Herthaner und Nachwuchstrainer seit 2010, bei den Profis auf dem Platz. Der 43-Jährige steht für offensiveren und aktiveren Fußball als unter Dardai, hat zudem das Glück, dass der Klub einen millionenschweren Deal mit Investor Lars Windhorst einfädeln konnte. Dieser bescherte der Hertha satte 125 Millionen Euro und ermöglichte - ebenso wie die 22 Millionen Euro, die Inter Mailand für ​Valentino Lazaro zahlte - den ​Rekord-Transfer von Dodi Lukebakio.

Setzt den Trend der Nachwuchstrainer, die in den Profi-Bereich befördert werden, fort: Ante Covic.

Der 21-Jährige, der in der abgelaufenen Saison als Leihspieler von Fortuna Düsseldorf 14 Pflichtspieltore erzielte, steht wie Covic für die neue Zeitrechnung in der Landeshaupstadt. Die graue Maus soll mittelfristig zu einer Top-Adresse in Deutschland werden, die attraktiven Fußball bietet und jungen Spielern die Gelegenheit gibt, sich weiterzuentwickeln.

Vor einigen Jahren wäre die aufgebrachte Summe für Dodi Lukebakio (Foto) undenkbar gewesen, doch der Belgier steht für den großen Schritt, den der Klub gewagt hat.

Mit einem Durchschnittsalter von 24,9 Jahren stellt Hertha BSC den drittjüngsten Kader der Bundesliga, Marvin Plattenhardt ist der einzige Spieler im Alter von über 25 Jahren, dessen Marktwert auf eine zweistellige Summe geschätzt wird. Mit dem heutigen Leverkusener Mitchell Weiser, Arne Maier, Niklas Stark, Maximilian Mittelstädt oder Jordan Torunarigha schafften zuletzt einige junge Talente den Durchbruch in der Bundesliga.

​Wie bei so vielen Klubs soll dieser Weg fortgeführt werden, sukzessive soll damit auch der sportliche Erfolg einhergehen. Ein einstelliger Tabellenplatz dürfte von nun an das Ziel sein, Ausreißer nach Europa sind aufgrund der großen Konkurrenz schwierig, aber nicht unmöglich. Im Mittelfeld der Bundesliga kann jeder jeden schlagen, und gerade in der Offensive wirkt die Hertha stärker denn je.

Hohe Qualität im Sturm

In der neuen Saison stehen Covic mit Davie Selke, Dodi Lukebakio, Javairo Dilrosun, Salomon Kalou und Vedad Ibisevic fünf gefährliche Angreifer zur Verfügung, die für Tempo und Tore stehen. Die Offensive soll unberechenbarer werden, die Mannschaft mehrere Systeme beherrschen. "Verschiedene Spielsysteme bedeuten, dass es verschiedene Anforderungsprofile gibt", erklärte der neue Trainer in einem Interview auf der vereinseigenen Website, in dem er für seine Schützlinge nach dem ersten Monat der Vorbereitung ein Lob übrig hat: "Wir haben die nötige Variabilität in unser Spiel bekommen. Wir erarbeiten uns aus dem Spiel heraus schon viele Torchancen."

Quo vadis, Hertha BSC?

Wohin der Weg führt, ist schwer zu sagen. In der Region, in die der Klub offenbar stoßen will, kämpfen auch in der neuen Saison RB Leipzig, Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, Werder Bremen, 1899 Hoffenheim, Eintracht Frankfurt und der VfL Wolfsburg um einen begehrten Europapokalplatz. Ähnlich wie in Gladbach, Wolfsburg und Hoffenheim wagen die Berliner einen Neuanfang, weshalb dieses Quartett für eine Überraschung sorgen kann. Sollte die Mannschaft die Anforderungen von Ante Covic verinnerlichen, mit dem Trainer zusammenwachsen und auf einer Erfolgswelle schwimmen, ist die Europa League durchaus vorstellbar. Mittel- bis langfristig dürfte das Angreifen der Tabellenplätze fünf und sechs auch die Maßgabe sein - vorausgesetzt, man erlebt keinen erneuten Absturz. 

Hertha BSC ist Geheimtipp sowie Wundertüte zugleich, ähnlich wie Werder Bremen vor einem Jahr. Dass ein weiterer Klub wieder offensiven Fußball spielen lassen will und sich zugleich für Einnahmequellen wie Investoren öffnet, ist gut für die Bundesliga. Bleibt aus Sicht der Fans nur noch zu hoffen, dass die Änderungen auch fruchten.