HSV-Heimstätte Volkspark: Vom häßlichen Entlein zum schönen Schwan

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Nein, geliebt haben die Hamburger ihr ​Volksparkstadion, weit draußen in Stellingen (genauer gesagt, Bahrenfeld), im Hamburger Westen, nie. Dazu war die aus den Trümmern des Krieges erbaute Sportstätte einfach zu unwirtlich, zu unbequem, zugig und kalt. Und nass wurde man auch noch. Zumindest in Teilen - bis zum Jahr 1998. Dann fand eine bemerkenswerte Metamorphose statt. 

Frage an die Spezialisten: welches war das letzte Bundesligaspiel im alten Volksparkstadion (also vor dem Neubau an gleicher Stelle ab Mai 1998)? Kleiner Tipp: es war "meisterlicher" Besuch zugegen. Na, immer noch nicht? Nee, nicht die Bayern. Auch nicht der BVB oder der VfB Stuttgart, sondern der 1.FC Kaiserslautern war letzter Gast im alten Stadion. Den Pfälzern reichte an jenem 9. Mai ein 1:1-Unentschieden beim​ HSV, um ihre vierte (und bis heute letzte) Meisterschale zu holen. Als Aufsteiger wohlgemerkt! Aber das ist wieder eine andere Geschichte. 

Das letzte Tor für den HSV in den alten Mauern schoss übrigens ein Pole: nein, nicht Jan Furtok, sondern Jacek Dembinski. Und genau dieser sollte auch in der Baustelle AOL-Arena, knapp drei Monate später, das erste HSV-Tor erzielen. 

Ein Stadion aus Kriegstrümmern

Erbaut wurde das (alte) Volksparkstadion im Jahr 1953, als Nachfolger des mittlerweile zu klein gewordenen Altonaer Stadions (von 1925). Das Baumaterial war pragmatischerweise der Trümmerschutt aus den Bombennächten des Krieges. Schon die Nationalsozialisten planten Ende der Dreißiger Jahre den Bau eines neuen, größeren Stadions in der heutigen City Nord (Winterhude), doch gingen diese Pläne (wie das Regime, das sie erdacht hatte) in den Wirren des Krieges unter. Nach dem Krieg wurden die alten Pläne zwar noch mal rausgekramt, doch da wo heute die Bürostadt City Nord steht, standen nach Kriegsende Nissin-Hütten voller ausgebombter Hamburger. Das Stadion musste woanders seinen Platz finden. Und so beschloss die Hamburger Bürgerschaft 1951 den Abriss und Neubau an selber Stelle. Am 12. Juli 1953 fand die feierliche Eröffnung statt. 

Große Namen 

Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Kevin Keegan, Horst Hrubesch, Felix Magath, Manfred Kaltz - für eine illustre Schar Spieler sollte die große Betonschüssel mit der stimmungstötenden Tartanbahn zur sportlichen Heimat werden. Geliebt jedoch wurde das Stadion nie. Erst ab einem Zuschauerandrang von mehr als 40.000 kam so etwas wie Stimmung auf. Das war aber in der Regel nur zweimal im Jahr der Fall - wenn die Bayern kamen und natürlich die Grün-Weißen zum Nordderby. Dann konnte diese kalte Schüssel auch mal überkochen. 

So wie im April 1980, als die Königlichen aus Madrid ihren 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel einfach nur verwalten wollten und böse unter die Räder kamen. 4:0 hieß es zur Pause - für den HSV! 5:1 stand es nach neunzig MInuten. 61.000 euphorisierte Zuschauer (die Kapazität war mittlerweile etwas verringert worden) flippten förmlich aus. Für eine Nacht war Hamburg das Madrid des Nordens. Doch solche Spiele wurden ab der Mitte der Achtziger Jahre immer seltener, denn mit dem HSV ging es immer weiter bergab. Und auch die deutsche Nationalmannschaft hatte nach dem bitteren 1:2 gegen Holland im EM-Halbfinale von 1988 nicht mehr so richtig Lust, ihre Spiele in Hamburg zu bestreiten. 

Abriss und Neubau an selber Stelle

Mitte der Neunziger Jahre dann, die deutsche Einheit war gerade ein paar Jahre her, kamen erneut Stimmen auf, das Stadion zu modernisieren - oder gleich ein neues zu bauen. Spektakuläre Pläne wurde entworfen (darunter auch ein in der Elbe stehendes Stadion, mehr oder weniger dort, wo heute die Elphi über dem Hafen thront) - doch am Ende wurde es wieder ein, wenn auch gelungener, Kompromiss: Abriss des alten Stadions und Neubau, um neunzig Grad gedreht. So wurde aus der Westtribüne (mit den treuesten aller HSV-Fans) die heutige Nordkurve. Und aus zugigem Betonarena-Ambiente ein spannendes Stadionerlebnis. Man konnte es kaum glauben: aus dem häßlichen Entlein Volksparkstadion war der schöne Schwan AOL-Arena geworden. Selbst Niederlagen waren hier jetzt besser zu ertragen als im alten Rund. 

Der Name: ein Zugeständnis an die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs. Der schon vor zwanzig Jahren etwas klamme HSV brauchte finanzstarke Partner an seiner Seite. Nach AOL kamen noch HSH Nordbank, Imtech und jetzt wieder - dank Investor Kühne - Volksparkstadion. 

Kategorie: Vier Sterne

Das neue Volksparkstadion hat auch schon legendäre Spiele gesehen. Die Schalker Meisterschaft der Herzen von 2001 wurde den Knappen hier entrissen. Und auch der große Zinédine Zidane musste sich wohl erstmal schütteln, nachdem seine Alte Dame Juventus nach 3:1-Führung (und zwischenzeitlichem 3:4-Rückstand) hier noch mit Ach und Krach einen Punkt nach Turin entführen konnte. Auch die Weltmeisterschaft 2006 fand hier mit mehreren Gruppenspiel und einem Viertelfinale statt. 

Heute ist das Volksparkstadion (57.000 Plätze) mit Sicherheit eine der schönsten Fußballarenen überhaupt. Es gehört zur 4-Sterne-Kategorie. Lediglich WM-Halbfinals, WM-Finals und Endspiele der Champions League können wegen zu kleiner Kapazität hier nicht ausgetragen werden. Alle anderen Spiele (wie z.B. das Finale der Europa League 2010) und natürlich die Heimauftritte des HSV, die hoffentlich auch irgendwann mal wieder besser werden, finden hier einen angemessenen Rahmen. Im Volkspark, im Westen Hamburgs.