Istanbul Basaksehir: Künstlicher Spitzenklub, Erdogan und kaum Fans

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Istanbul Basaksehir ist der aktuelle Tabellenführer der türkischen Liga. Das Zugpferd für den Verein sind gewiss nicht seine Fans. Viel eher ist der Erfolg von Basaksehir das Produkt von Staatspräsident Tayip Recep Erdogan. 

An den Wochenenden ist es immer dasselbe: Wirft man einen Blick ins Fatih-Terim-Stadion erkennt man teils blau, teils gelb eingefärbte Sitzschalen, die im Wellenmuster gestaltet sind. Das Design ist gut identifizierbar, weil sich nur wenige Zuschauer im Stadion verlaufen. Es gibt keine Anzeichen, dass hier der beste Fußballklub der Türkei spielt. Rund 3.000 Zuschauer pilgern durchschnittlich ins Stadion, dabei wäre Platz für 17.000. 

Die Gründe für die triste Atmosphäre sind jedenfalls nicht in den Ergebnissen zu suchen: Istanbul Basaksehir steht an der Tabellenspitze - mit sechs Punkten Vorsprung vor Stadtnachbar Galatasaray. Basaksehir stellt die mit Abstand beste Verteidigung des Landes, hat nach 22 Spieltagen erst elf Gegentore kassiert. Der Spielstil ist ergebnisorientiert: Ein knapper 1:0-Sieg ist dem Spektakel vorzuziehen. Mit ihrer Strategie kommt die Mannschaft gut zurecht; die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte ist greifbar. 

Altersschnitt über 30 Jahre

Beim 1:0-Sieg gegen Antalyaspor am Montag betrug das Durchschnittsalter der Startelf von Basaksehir 31,7 Jahre. "Jugend forscht" ist also nicht die Identität des Klubs. Die Stars der Mannschaft sind im Spätherbst ihrer Karrieren, wie zum Beispiel der 34-jährige Robinho (früher unter anderem ​Real Madrid), der gleichaltrige Emmanuel Adebayor (​FC Arsenal) oder der 32-jährige Arda Turan (​FC Barcelona), zugleich Trauzeuge von Tayip Recep Erdogan. 

Wer sich mit den Hintergründen des Erfolgs von Basaksehir beschäftigt, wird am türkischen Staatspräsidenten Tayip Recep Erdogan und am Einfluss der Politik nicht vorbeikommen. Bis 2014 hieß der Klub noch Büyüksehir Belediyespor, was so viel heißt wie "Sportverein der Istanbuler Stadtverwaltung". 1990 wurde der Verein vom damaligen Bürgermeister ins Leben gerufen, ursprünglich wurde der Verein sogar von der Stadtverwaltung finanziert. Politik und Sport eng verzahnt. Büyüksehir Belediyespor stieg bis in die oberste Spielklasse auf, man spielte sogar im Istanbuler Olympiastadion - allerdings vor wenigen hunderten Zuschauern. Mehr als Mittelmaß war nie drin, bis vor fünf Jahren.  

Erdogans ehrwürdige Nummer 12 

2014 sah man Erdogan in einem knallorangenen Fußballer-Outfit. Bei der Einweihung des Fatih-Terim-Stadions zeigte der Präsident, wie gut er kicken kann. Weil er beim Promi-Spiel drei Tore erzielte, wird seine damals getragene Trikotnummer Zwölf seitdem nicht mehr vergeben. Was war der Anlass für den Spaß-Kick? Der Verein bekam eine Generalüberholung (Logo, Vereinsfarben, Branding) und heißt seither Istanbul Basaksehir. Man siedelte in den gleichnamigen Stadtteil um, bezog das neue Stadion und erschuf moderne Trainingsplätze.

Der Stadtteil Basaksehir im Nordwesten Istanbuls hat mit der restlichen Metropole wenig gemein. Hier stehen moderne Häuser, das Ambiente ist steril. Alles wirkt wie auf dem Reißbrett entworfen. Erdogans Partei AKP hat hier eine Mehrheit. "Es ist normal, dass die Mannschaft mit unserem Staatspräsidenten in Verbindung gebracht wird. Das macht uns glücklich", sagte Vereinspräsident Göksel Gümüsdag, der mit der Nichte von Erdogans Ehefrau verheiratet ist. 

Politisches Projekt

Basaksehir ist ein politisches Projekt. Seit 2014 nahm nicht nur der Erfolg der Mannschaft zu, sondern auch die Nähe der Politik. Der Hauptsponsor des Klubs, die Krankenhauskette Medipol, gilt als regierungsnah. Dessen Besitzer soll ein Bekannter von Erdogan sein. Das Fatih-Terim-Stadion, benannt nach dem 65-jährigen Erdogan-Freund und Trainer von Ligarivale Galatasaray, wurde von der Kalyon Group Holding gebaut. Das Unternehmen war beispielsweise auch für das Regierungsprojekt des weltweit größten Flughafens in Istanbul zuständig. 

Auch wenn Basaksehir türkischer Meister werden und womöglich im kommenden Jahr in der Champions League antreten würde, gäbe es zumindest in Sachen Fan-Überlauf keine Gefahr für die drei großen Istanbuler Klubs Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce. Basaksehir wird als künstliches Gebilde angesehen, das mit Regierungshilfe aus dem Boden gestampft wurde. Mit Kasimpasa hat nur ein Verein in der Süper Lig weniger Zuschauer als Basaksehir. Der Name des Kasimpasa-Stadions: Recep Tayip Erdogan-Stadion.