Herne-West gegen Lüdenscheid-Nord – die Mutter aller Derbys

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Das Revierderby zwischen dem ​FC Schalke 04 und ​Borussia Dortmund hat schon so manche spektakuläre Fußballgeschichte geschrieben: sei es Jens Lehmann, der per Kopf in der Nachspielzeit den Ausgleich für Schalke erzielt, die Dortmunder den ungeliebten Nachbarn die Chance auf die deutsche Meisterschaft nehmen oder eine furiose Aufholjagd, in der Schalke in der gelben Hölle einen 0:4-Rückstand aufholt. Wenn beide Mannschaften aufeinander treffen, ist für Spannung und Emotionen gesorgt.

Nichtsdestotrotz kann man die aktuellen fußballerischen Belange nicht gänzlich außer Acht lassen, zu sehr werden die Vorzeichen der Partie von ihnen geprägt. Betrachten wir beispielsweise den weiterhin anhaltenden Höhenflug der Borussia, die immer noch ungeschlagen von Tabellenplatz 1 der Liga grüßt. Aber auch die Schalker haben sich stabilisiert und nach dem katastrophalen Saisonstart das Achtelfinal-Ticket in der ​Champions League gebucht. Sie müssen nun aber schnellstmöglich eine Siegesserie in der Liga starten, um noch auf Tuchfühlung mit den europäischen Startplätzen zu kommen. Kaum eine Partie ist dabei derart prädestiniert für einen Neustart, wie das Revierderby.

Doch auch der BVB ist nicht völlig sorgenfrei, zeigten die letzten Spiele doch ziemlich eindeutig, dass man dem Offensivwirbel der Dortmunder mit tiefem Mittelfeld- bzw. Abwehrpressing den Zahn ziehen kann. Die letzten Opponenten des BVB, namentlich Freiburg, Brügge und Mainz, haben auf eine konsequente Defensivstrategie gesetzt und die Spiele vergleichsweise lange offen gestalten können. Gegen Freiburg beispielsweise benötigten die Dortmunder einen Elfmeter als Dosenöffner, um den Gegner aus der Reserve zu locken und ein wenig mehr Raum im Angriffsdrittel zu erhalten. Mit starker Mannorientierung auf den Flügeln wurden die Außen der Borussia gedoppelt und aus dem Spiel genommen. 

Eine Partie für die Geschichtsbücher - nach einem 0:4-Rückstand gelang Schalke noch eine legendäre Aufholjagd

Dies alles klingt eigentlich nach einer Paradedisziplin für Schalke. Insbesondere in der letzten Saison konnte Schalke auf diese Weise mit einer (fast) perfekten Mischung aus defensiver Stabilität und eiskalter Kaltschnäuzigkeit im Sturm den Vizemeistertitel feiern. Dies würde auch erklären, warum Tedesco sich nicht als Underdog im Derby sieht und dem BVB Paroli bieten möchte. Mit einer konsequenten und robusten Defensivleistung könnte er dem BVB den Wind aus den Segeln nehmen und mit einer kampfbetonten Herangehensweise das Publikum schnell hinter sich gewinnen. 

Doch Lucien Favre wäre nicht Lucien Favre, wenn er sich und sein Team nicht auf dieses Szenario vorbereiten würde. In der Pressekonferenz vor dem Spielt stellte er einen möglichen Systemwechsel in Aussicht, fraglich nur, ob es sich dabei um die üblichen Nebelkerzen vor großen Spielen handelt oder um ernste Absichten in das Spielsystem der Borussia einzugreifen. Eine Alternative wäre womöglich Mo Dahoud, der in der Partie gegen den FC Bayern München nach seiner Einwechslung das Offensivspiel der Dortmunder aus dem Mittelfeld angekurbelt und viel Vertikalität ins Spiel gebracht hat. Favre könnte so dem Spiel der Dortmunder eine neue Charakteristik verleihen, ohne dabei vom Grundsystem mit einer Viererkette und Doppelsechs in der Defensive abzuweichen.

Alles in allem erwartet uns ein vielversprechendes Derby, das von Geschichte, Emotion und einer spannungsgeladenen Atmosphäre lebt. Schalke kann sich mit einem Sieg wieder zurückmelden und die Fans nach der bislang durchwachsenen Saison besänftigen. Der BVB hingegen kann seine aktuelle Stellung im deutschen Fußball weiter festigen und insbesondere die jungen Shootingstars um Jadon Sancho wichtige Spielerfahrung sammeln lassen.